Im zweiten Leseteil ist mir sehr bewusst geworden, wie tief verunsichert Hanna als Mensch ist, auch wenn sie eine sehr gute Polizistin ist. Sie sieht überall Probleme, befürchtet das Schlimmste wie bei dem Gespräch mit ihrer Freundin Rebecca, welches sie nach dem Besuch ihres Bruders Kristoffer monatelang vor sich her geschoben hat. Dann ist sie völlig überrascht und zutiefst erleichtert, wie anders Rebecca reagiert. um sofort ein neues Problem aufzubauen: was, wenn Isak wegen ihr vom Mörder angegriffen wird, nachdem sie nun mit ihm zusammen lebt? Wie sehr jedoch das ständige Zaudern und allein-Handeln-wollen, auch ihre berufliche Aktivität gefährdet, erkennt Hanna, als ihr Chef Ove sie zitiert, nachdem er über Hannas Gespräch mit Kristoffer zum Mord an Ester Jensen durch deren Tochter Maria erfahren musste. Für ihn doch ein Schlag ins Gesicht, dass Hanna ihm so wenig vertraut.
Der neu aufgerollte Cold Case um Mikael zeichnet ebenefalls jede Menge an zwischenmenschlichen Spannungen und Befindlichkeiten auf. Wie in der Figur von Therese, die zwischen ihren ständigen Schuldgefühlen ihrer Mutter Brigitta gegenüber und dem - brutal ausgedrückt - Duckmäusertum gegenüber ihrem MEhemann Kasper geradezu aufgerieben wird. Und nun noch der Schlag, von der Mutter bezüglich des Vaters belogen worden zu sein! Die Autorin zeichnet eindrücklich die kleineren und grösseren menschlichen Abgründe ihrer Protagonisten auf. Manchmal erkennt man sich selbst in den Figuren. Wie Therese habe ich mich den grössten Teil meines Lebens aufgerieben wegen meiner Schuldgefühlen gegenüber meiner Mutter - das prägt im Handeln und Denken.
Was den Mord an Mikal betrifft, so vermute ich, dass der Täter im engsten Umkreis von Mikael zu finden sein wird. War es der Englischlehrer Paul Lundell, der doch noch einmal zum Haus zurückgekehrt war in der Nacht?
Es bleibt spannend! Aber mich beschleicht ein leises Gefühl, als würde der Mord an Ester Jensen auch in diesem Band nicht aufgeklärt werden. Dazu tritt Hanna zu sehr auf der Stelle dank ihres Zauderns- und scheint mir die Anzahl der verbleibenden Seiten nicht auszureichen, so wie Johanna Mo die geschichte erzählt.