Der Schreibstil war für mich nie schwierig zu lesen und zu verstehen; er ist eher einfach, etwas altmodisch. Die Handlungen und Gespräche springen manchmal etwas (zu) abrupt oder brechen ab. Ich habe mir überlegt, was es für die Übersetzerin bedeutete, das Urtümliche zu transferieren, auch das eigenartige Sorosi-Lied von Svendt Wächter zum Beispiel. Gerade dies macht das Buch für mich bis jetzt zu einem Lesseerlebnis, welches ich durchaus geniessen kann.
Benoni zeigt sich als etwas ungelenker und kindlich anmutender Typ mehr und mehr als ein sicherer und entschiedener. Doch noch immer orientiert er sich an Status und Positionen anderer. Er träumt davon oder schafft sich an, was diese haben (Seidenkordel mit Glocke, Klavier, Nähtisch, Taubenhaus, etc.). Es ist für ihn und andere wichtig, mit welcher Anrede man anderen begegnet (Benoni oder Hartvigsen, Sie oder Du, Richter oder Bevollmächtigter). Benoni versucht, mit Statussymbolen Eindruck zu erwecken (Ring und Kreuz, Silberbesteck für Rosa, Beiguss zur Grütze, jeden Tag Braten…). Bezüglich seiner Beziehung zu Rosa erfahre ich ihn als verletzt - aber noch immer verliebt, scheint er auf eine Änderung zu hoffen, dass Rosa sich einsichtig zeigt, Mack ihm dabei hilft, damit sie sich von Nikolai abwendet, dafür seinen Wert erkennt.
Die Beschreibung von Landschaft und Natur sind in diesem zweiten Teil stimmig eingeflochten, eine schöne Beschreibung auf Seite 106, wo Frühlingsstimmung die Hoffnung Benonis auf Erwiderung seiner Gefühle zu Rosa spiegeln oder auf Seite 116, wo die stillliegende Allmende oder die im Sommer duftende Natur beschrieben wird. Hier wird das nostalgische Gefühl von Benoni aufgenommen als er noch Postbote war.
In diesem Abschnitt werden auch Inneneinrichtungen oder Werkarbeiten beschrieben (Kontor, Gerichtssaal, Bad, Kamin russen, Nägel einschlagen, Türschloss ölen). Manchmal untermalen diese Beschreibungen die aktuellen Stimmungen und Situationen.
Für mich als Lesende war eindrücklich wie umständlich und verklemmt fast alle Personen ihre Gefühle, Absichten und Wünsche ausdrücken, bzw. verdrängen oder abwehren. Es wird geklatscht, intrigiert, vertuscht und hintenherum gehandelt. Gesetze werden zurecht gebogen. Ausser Rosa sind es meistens Männer, die so vorgehen. Frauen sind im Hintergrund oder werden als Helfende beschrieben oder schlimmer als Ausgebeutete (Ellen Stubenmädchen).
Natürlich sehe ich Parallelen zu heute. Denken wir an Geklatsche und Fake News via Medien, an Intrigen und Vergehen gegen Gesetze auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, an Statusgehabe von Influenzerinnen, an Missbrauch und Ausbeutung anderer. Alles ist noch da, wenn auch technischer, aufgemotzter oder umgekehrt massiv vertuschter (durch Technik und Globalisierung) als es in der “guten, alten Zeit” möglich war. Allerdings hat sich der Frauenanteil verändert.
Nun, auf zum dritten Leseteil nächste Woche…..