Also Leute, über 800 Seiten über den geplanten Tod eines missmutigen zynischen Realisten zu lesen, braucht Zeit und Nerven. Denn der Protagonist des Buches ist nicht nur sympathisch. Toni ist 54, Gynasiallehrer für Philosophie, geschieden und Vater eines mässig talentierten Sohnes, und fest entschlossen, am kommenden 31. Juli sein Leben abzuschließen. Wir lernen ihn als Lesende seiner Notizen, die er im Jahr bis zu seinem geplanten Selbstmord als Verwalter seiner Erinnerungen niederschreibt, kennen. Und er lässt uns schonungslos ehrlich an seinem Leben teilhaben. Seine Kindheit geprägt vom gewalttätigen dominanten Vater, seine eine in der Ehe gefangene unglückliche Mutter und seine Rolle als gemeiner grosser Bruder, all das schildert er in seinen persönlichen Notizen. Seine erste grosse Liebe, seine gescheiterte Ehe, der darauf erfolgte Rosenkrieg, sein Berufsleben als resignierter Lehrer breitet er ebenso aus wie sein Sexualleben. Nur noch sein Freund, der von einem Terroranschlag versehrte “Humpel” und seine Hündin Pepa sind ihm Grund genug, seinem Leben lichte Momente in der Gegenwart abzugewinnen. Und ja, er will unbedingt die Rückkehr der Mauersegler aus dem Süden abwarten. Mit seinem Freund schliesst er einen Pakt, sie wollen gleichzeitig abtreten. Gemeinsam beschließen sie, wie sie sterben wollen. Bis dahin bereitet er die Auflösung seines Haushalts vor, er deponiert Stück um Stück seiner Bibliothek und seines Hausrats in den Parkanlagen Madrids. Er versucht, seinem Sohn Freund und Helfer zu sein. Er organisiert sein Ableben so, dass er Niemandem allzu sehr zur Last fällt. Doch dummerweise läuft er seiner ersten grossen Liebe Agueta und ihrem alten Hund Toni über den Weg. Die weniger hübsche, aber warmherzige und lebenskluge Frau hatte er nicht gerade auf die feine Art verlassen, als er die rassige Amalia kennenlernte, eine eben so hübsche wie kühl berechnende Radiomoderatorin, die er geheiratet hat. Entgegen seinen Plänen entsteht allmählich eine Freundschaft, die auch seinen selbstmordwilligen Kumpel einschließt. Was Aramburu in diesem Buch gelingt, ist allerhand. Es schreibt eine Liebeserklärung an Madrid, er feiert und beklagt das durchschnittliche Leben eines Spaniers, er setzt sich klug mit dem Sterben und der Vergänglichkeit auseinander und natürlich reiben sich die Figuren politisch an der Geschichte und Gegenwart Spaniens. Das Buch ist voll von bösem Witz, doppelbödiger Alltagsphilosophie und erhellenden Gedanken. Also kurz und gut, es lohnt sich, die über 800 Seiten zu lesen.