nun zum dritten Teil:
Im dritten Teil geht Clavadetscher der Frage nach, wo die Grenzen der Freiheit sind, wie befreiend Kunst sein kann und sein sollte. Und umgekehrt: wer nimmt sich welche Rechte, Frauen Rollen zuzuschreiben, und drastischer: wer bemächtigt sich welcher Frauen, und gelingt es ihnen, sich selbst zu bleiben?
Wo schon Lina Franziska Fehrmann die Grenzen der Freiheit der Künstler sieht und versucht, sich zu schützen und herauszuhalten, wird Übergriffigkeit und Wahn, exzessive Freizügigkeit der Männer zur tödlichen Bedrohung für die Frauen. Ihre Fähigkeiten und künstlerischen Leistungen zählen nichts. Die Schatten, wie sie Dagny Juel bedrohen, wachsen – wohin wird das führen? Martina Clavadetscher verschiebt die Aufmerksamkeit immer mehr von der Kunst zu den offenbar dazugehörigen Machenschaften, Eifersuchten, Wahnvorstellungen und Machtphantasien. Spannend! Was wohl die Jahrhundertwende bringen wird?
Mit Wally Neuzil erfolgt erneut eine Steigerung: schon der Titel des Werks von Egon Schiele sagt es: «auf dem Rücken liegende Frau»: die enteignete Frau, wehrlos, vermarktet, zensiert, und was bleibt, ist der unverschämte erkaufte und gierige Blick.
Jeanne Hébuterne schliesslich stürzt sich selbst in den Tod: ihre verzweifelte Liebe zu Modigliani findet ein tragisches Ende, ihre eigenen Werke werden erst spät wiederentdeckt.
Sollen wir einen sterbenden Menschen malen oder ihm die Hand halten? Diese Frage stellt Clavadetscher bei Valentine und Ferdinand. Können wir uns wirklich nahe sein, können wir das wahre Ich erkennen, feinstoffliches malen, oder bleiben uns nur Striche, Schatten, Lichtpunkte? Können wir nur hilflos danebenstehen, immerhin: hinschauen, wahrnehmen, was wir mit unseren Augen sehen? Ob es gelingt, das zu malen, was das Herz sehen könnte? Gekonnt beschreibt Clavadetscher das Malen Hodlers aus Valeries Sicht: Ein Leben und Sterben, das in Striche und Farben verwandelt wird, irgendwie unfähig zur letzten, traurigen Begegnung des Abschieds und des Todes. (Am Todestag malte Hodler ja dann nicht Valerie, sondern die Stimmung über dem Genfersee).
Damit ist Clavadetscher wieder beim Grundthema angelangt: Was sehen wir? Was können wir darstellen? Was ist Einbildung, Fiktion, welche Wirklichkeit übersehen wir, blenden wir aus, sind blind dafür?
Abschliessend fragt Clavadetscher mit Alice: gelingt es, Menschen so zu malen, wie sie sind und wie sie sich selbst sehen, ohne sie in eine Rolle zu drängen? Wie können wir das Leben der Anderen sehen, erkennen, ihm gerecht werden?
«Die Welt soll hinschauen. Auf Augenhöhe». Nicht ewig vor einem alten Bild verharren, sondern weitergehen.