Nun habe ich übers WE -quasi mit dem Eilzug 🤩- Band II von Shelley’s letztem Menschen gelesen - grosses Kino! - Die Geschichte nimmt Fahrt auf - und allmählich manifestiert sich, was der Titel aussagt… Zunächst fahren die Geschwister Lionel und Perdita mit Clara (Tochter von Perdita) nach Griechenland, um den im Krieg verschollenen Raymond zu suchen. Er wird tatsächlich ausfindig gemacht (Gefangenschaft) und frei gelassen. Wieder aufgepäppelt, zieht er erneut in die Schlacht gegen Konstantinopel - derweil die ersten Gerüchte einer Seuche, die aus Asien kommt, kursieren. Man zieht gegen Konstantinopel, Raymond will die Standarte Griechenlands auf der Hagia Sophia aufpflanzen. - Beeindruckend, wie die Frau die Schlachtenformation und das ganze Getümmel beschreibt - und selbst auf dem ‘Leichenfeld’ geht die ‘schöne’ Sprache nicht verloren! (Das tönt dann, z.B., so: …; schwere Wolkenmassen stiegen aus dem Südosten auf, und verworrene rote Blitze schossen aus ihren dunklen Rändern; der stürmische Wind zauste die Gewänder der Toten und erkaltete, als er über ihre eisigen Körper hinwegging.)
Letztendlich wird Konstantinopel nicht im Sturm eingenommen, sondern belagert - der Fall kommt still - gespenstisch still… Die Seuche hat zugepackt… Raymonds Leute verweigern die Gefolgschaft bei der Einnahme, zunächst lenkt er ein, zieht dann später doch in die Stadt - und findet in einem Inferno von Explosionen den Tod… Lionel kann ihn beim zweiten Suchanlauf finden, Raymond wird nahe Athen begraben, Perdita will sich neben dem kleinen Grabmonument ein Häuschen bauen und bleiben, bis auch sie mit ihm die letzte Stätte teilt…
Mit einer List nimmt Lionel sie doch noch aufs Schiff, um nach England zu gelangen - doch nicht weiter gespoilert… es ist der Anfang vom Ende… Letztendlich kommen Clara und Lionel alleine auf der Insel an. Die Seuche ist auf dem Vormarsch - zunächst scheint die Insel sicher… doch sommers geht es auch hier los. Im Winter ist ‘Erholung’ angesagt, so dass Wirtshäuser und Vergnügungsstätten auf Wunsch/Druck der Bevölkerung wieder offen sind und etwas ‘Erleichterung’ oder zumindest Ablenkung bieten…
Beklemmend, wie Shelley die Geschichte der Seuche mit Naturphänomenen beschreibt: übergrosse Hitze im Sommer, zu nasse Winter, später Schnee, zu früher milder Frühling, starke Winde… - Alles scheint aus dem Lot geraten zu sein. -
Inzwischen leben ‘wir’ in der Geschichte zwischen 2092 und 2096. - Interessant, wie der Seuche begegnet wird: von Forschung, Diagnostik, Therapie, etc. kein Wörtchen! Es gibt nachwievor das Seuchenhaus (!) und wie es scheint, keine wirkliche medizinische Behandlung. Man mutmasst über die Verbreitung, wohl über die Luft - was den Kampf schwierig, wenn nicht gar aussichtlos macht. Ryland, der zu dieser Zeit Protektor ist, ist der Situation nicht gewachsen - Graben- und Machtkämpfe behindern effizientes Handeln, zudem hat er Angst… ergreift die Flucht, verschanzt und verbarrikadiert sich auf dem Land. Adrian (der Sohn des letzten Königs) übernimmt das Steuer, setzt auf ‘Moral’: wenn in Ordnung und Wohltun weiter gelebt wird, kann die Angst nicht um sich greifen, was wiederum das Immunsystem stärkt.
Ging es zuvor noch um die ‘Kasten’ in der Gesellschaft, hat sich das über die Krankheit ‘von selbst’ egalisiert - die Seuche und der Tod machen keinen Unterschied… Im Gegenteil: die ‘Armen’ sind nun etwas im Vorteil, weil sie es gewohnt sind, Hand anzulegen - die Adligen mit ihren Bediensteten sind es sich kaum gewohnt, selber Feuer zu machen (im Jahr 2092….), um zu kochen, etc.
Als ein weiterer Sommer überstanden ist, fallen über Irland Seuchenüberlebende aus Nordamerika ein. Auch das wird in ‘philantropischer’ Manier von Adrian in Brüderlichkeit aufgelöst.
Gespenstisch wie Shelley die verwaiste, verwahrloste Zivilisation beschreibt - die leerstehenden, aber intakten Häuser, der Reichtum an Kostbarkeiten, Bibliotheken, der niemandem mehr nutzt…, die Kühe in den Tanzsälen, die Schafe in den leeren Kirchen… Es wird einem (trotz schwärmerisch-blumiger Sprache /oder vielleicht erst recht deswegen!) ziemlich mulmig…
Ja, es ist grossartig, wie Shelley das Grauen beschreibt, existenzielle Fragen anspricht, viele Zitate von Shakespeare, Calderon, Defoe… einstreut, griechische Mythologie, römische Geschichte erwähnt und über das Entsetzen philosophiert.
Nun bin ich in Band III - noch sind 2000 Menschen auf der Insel, die die Emigration in ‘bessere’ Gefilde -sprich in die ‘Gesundheit’- beschliessen und winters losziehen wollen. - Ich bin gespannt, wie sich die Erzählung weiter entwickelt - und ‘menschlich’ reduziert!