Inhalt vgl. Cover
Aufgrund des Titels und auch des Covers hatte ich erwartet, dass die Geschichte auf das Thema «Arbeitsmigrantinnen» und vor allem auf solche in der Raumpflege fokussiert. Dem war nicht so. Dieses Buch empfinde ich spannend nicht aufgrund des Inhalts (da gibt es auch keine Spannung, die Autorin springt von einer Protagonistin zur andern), sondern aufgrund der Erzählweise und des Schreibstils der Autorin. Die Sätze sind sehr lang, die Nebensätze beschreiben oft ein ganz anderes Thema oder vergleichen die eine Situation mit einer andern. Beispiele:
Besonders schön war Bettinas Lächeln, um das sich, wie um einen unsichtbaren Magneten, die Gesichtsmuskeln strafften, sich symmetrisch und ebenmässig ausrichteten, so wie sich manchmal müde Kassiererinnen im Supermarkt aufrichten, wenn sie den aufmerksamen und interessierten Blick eines Mannes bemerken.
Nachdem er sich sorgfältig die Hände gewaschen und sie noch sorgfältiger abgetrocknet hatte, hob er sie, ganz so wie Chirurgen vor einer Operation, und trat an seinen Arbeitsplatz.
Auf seinen Wangen breiteten sich fast immer, wie Borschtsch auf einer Tischdecke, unregelmässige Flecken aus.
Viele Beschreibungen haben einerseits zum Nachdenken angeregt, anderseits mir aber oft auch ein Lächeln hervor gezaubert, wenn ich mir das Geschriebene bildhaft vorgestellt habe. Beispiele:
Es sah aus, als würden sie sich früher oder später auftun, bersten wie Wasserleitungen, und das Konzentrat der in all den Jahren angestauten Langeweile, Ungerechtigkeiten, Erniedrigungen und des Neids würde als stinkende Fontäne hervorschiessen.
Am liebsten hätte sie für ihr Leben, wie für die Schulaufgaben, ein Schmierheft gehabt, in dem erst einmal alles erlaubt war und aus dem man dann die gelungenste Variante ins Reine schreiben konnte.
Chrystyna wollte immer wissen, wie diese unsichtbaren Kanäle menschlicher Emotionen funktionieren, die den ruhigen Fluss rationalen Handelns und Denkens so plötzlich unterbrechen, Strudel und Stromschnellen schaffen und einen im unerwartetsten Moment an gefährliche Klippen stossen lassen.
In Chrystynas kindlicher Psyche fanden diese ganzen Fetzen, nicht so sehr der Gespräche als vielmehr der Ton, das Gestreite, die Beleidigungen und das angespannte Schweigen, zu einer endlosen musikalischen Komposition zusammen, geschickt arrangiert, aber nicht gut interpretiert.
Was ich vermisst habe, sind Kapitelüberschriften. Das hätte die Orientierung einfacher gemacht. Ich werde ein weiteres Buch einer ukrainischen Autorin lesen und bin gespannt, ob ich in der Erzählweise Parallelen finde. Ich empfehle dieses Buch allen, die einen andern Schreibstil kennenlernen möchten.