Ein umfangreicher Roman, der immerhin 27 Lebensjahre der Ivy Lin umreisst. Dies in einem Schreibstil, dem sehr leicht zu folgen ist. Und weil Titel und Klappendeckel neugierig darauf machen, wo sich ihre Geschichte hinentwickeln wird, fällt es auch nicht so schwer dabeizubleiben, trotz einiger Längen und weniger interessanter Abschnitte. Ivy wächst die ersten zwei Jahre bei ihrer Grossmutter in China auf, weil ihre Eltern in die USA ausgewandert sind und sie aus finanziellen Gründen erst später nachholen können. Als es so weit ist, will sie vor allem eines: dazugehören. In der Schule himmelt sie Gideon an, an dem alles perfekt zu sein scheint: Aussehen, Benehmen sowie das Aufgehobensein in einer liebenden, wohlhabenden, durch und durch amerikanischen weissen Familie. Gideon wirkt allerdings unerreichbar, ganz anders als Roux, den Ivy jedoch als Looser betrachtet. Nach der Schule ziehen die Jahre ins Land und wird Ivys weiterer Werdegang geschildert. Wir schauen ihr dabei zu, wissen oft nicht viel darüber, weshalb sie sich für dies oder jenes entscheidet, doch als Gideon ihr wieder über den Weg läuft und sie diesmal etwas Gemeinsames mit ihm teilt, nämlich dass sie seinerzeit dieselbe Schule besuchten, gewinnt das Ganze wieder an Fahrt. Kommt es nun doch noch zu einem Happy End mit ihm? Obwohl auch Roux plötzlich wieder auftaucht? Wie schon gesagt, war das Ganze nicht schwer zu lesen, gepackt haben mich die Figuren trotzdem nicht richtig, vielleicht, weil alles so amerikanisch wirkt? Am stärksten fand ich die Schilderungen von Ivys chinesischer Herkunft. Wie die Grossmutter sie in ihren zwei ersten Lebensjahren prägt - von ihr hat sie in gewisser Weise auch das Lügen gelernt -, wie Ivy ihre Eltern wahrnimmt oder was bei einem späteren längeren Ferienaufenthalt in China in ihr vorgeht. Ähnlich zu ihren ‘kleinen Lügen’ legt die Autorin hier und da kleine falsche Fährten, und hält so die Spannung aufrecht. Den grossen Erfolg, den das Buch in den USA hatte, erkläre ich mir damit, dass es, im Nachhinein betrachtet, tatsächlich irgendwie clever aufgebaut ist. Dass man es unbedingt gelesen haben muss, würde ich zwar nicht behaupten. Aber für jemanden, der eine dickere Ferien- oder Krankenbettlektüre sucht, mag es sich durchaus lohnen.