0 von 5 Sternen
0 Bewertungen
Auf orellfuessli.ch bestellen
Fjodor M. Dostojewski
»Die russische Literatur begann mit dem Entstehen Petersburgs«, sagt Joseph Brodsky über seine Heimatstadt. Am Reissbrett entworfen, inmitten von Sümpfen auf Pfählen erbaut, ist Petersburg 1703 die Hauptstadt eines Weltreiches. Die Stadt wächst schnell, hier leben doppelt so viele Männer wie Frauen, die Prostitution floriert – nicht nur in den weissen Nächten, wenn die Sonne gerade für zwei Stunden untergeht. Will man es in Russland zu etwas bringen, muss man es hier versuchen. Aber »es ist ein Unglück, in der abstraktesten und ausgedachtesten Stadt der Welt zu leben«, schreibt Dostojewskij, der die Rückseite der Paläste kennt: Zwei Schritte in den Hinterhof, und die Stadt wird zum Vexierbild – Elend, Armut, Verzweiflung. Dostojewskij beschäftigen die sozialen und philosophischen Fragen seiner Zeit. Aber er schreibt alles andere als Thesenromane. Verbrechen und Strafe ist einer der grössten psychologischen Romane der Weltliteratur. Seit seinem Erscheinen 1866 ist die Suggestion, mit der Raskolnikows Entwicklung zum Mörder geschildert wird, der Sog, der ihn zu seiner blutigen Tat bringt, unerreicht. Die traumwandlerisch klare Sprache verschmilzt psychologische Einsicht und philosophische Erörterung zu einem metaphysischen Thriller, wie er in der langen Geschichte unserer Bücher einzigartig geblieben ist. Bislang kannte man diesen Roman in Deutschland unter dem Titel Schuld und Sühne, eine moralisierende Übersetzung, die den Wortsinn des Originals entstellt. Das Überraschende des Romans ist das fast völlige Fehlen von Reue, die zur Sühne verhelfen könnte. Dostojewskijs Welt ist härter, seine Begriffe sind archaischer: Verbrechen und Strafe ist das Thema seiner Romane, und der Titel so mehr als eine philologische Korrektur, sie hilft die eigentliche Kontur des Werkes zu erkennen, ohne die spannungsgeladene Brisanz zu verdecken.
Romane & Erzählungen
S. Fischer Verlag
Deutsch
766
2010-11-04
9783100154033
978-3-10-015403-3