Die 1993 mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnete amerikanische Autorin Toni Morrison kämpfte Zeit ihres Lebens — sie verstarb 2019 — für die Anerkennung der Schwarzen. Mit ihrer kurzen, 40-seitigen Erzählung «Recitatif» hat TM ein Meisterwerk geschaffen. “My mother danced all night and Roberta’s was sick”, so die erste Zeile. Was die beiden 8-jährigen Twyla und Roberta im Erziehungsheim erleben, wird in der Folge bei zwei weiteren Treffen aufgearbeitet und zum ihr Leben markierenden Erlebnis. Was geschah mit Maggie, der Küchenhilfe? Sie wird zum Stellvertreter des Rassenproblems. Und es ist klar, dass ihr Schicksal von Menschenhand ausgelöst wurde. Zentral, gemäss Morrison ist in diesem Experiment, "in dem alle Rassen-Codes wegfallen, in dieser Erzählung über zwei Charaktere verschiedener Rassen, für welche ihre Zugehörigkeit entscheidend ist“, das Weglassen des stigmatisierenden Merkmals der Hautfarbe. Dem Leser gelingt es auch mit den ausgeklügeltsten detektivischen Analysen nicht, herauszufinden, ob nun Twyla oder Roberta weiss ist… Ihre gelebte kurze Zweisamkeit (4 Monate) schweisst die beiden derart zusammen, dass etwas bleibt. Trotz der gewaltigen sozialen Unterschiede in ihrem Leben, verbindet das Wissen, um die Gemeinsamkeit die beiden. Es überwiegt etwas wie instinktive Einsicht, dass Hautfarbe kein trennendes Merkmal ist. Vielmehr schaffen Armut, Frausein, der Wohlfahrt ausgeliefert sein, trennende Klassen. Mit der Projektion des Dilemmas auf die handicapierte Küchenhilfe will Morrison uns zeigen, wie wir auf den Hilflosen, den Schwachen, den Ausgesetzten herumhacken. Und so steigern sich selbst die beiden Frauen im späteren Rückblick in eine Hysterie, fragen sich, ob sie Stellung für die Ausgeschlossene bezogen haben oder gar an ihrer Pein mitbeteiligt waren. „Roberta hob ihre Hand von der Tischplatte und bedeckte ihr Gesicht mit ihrer Handfläche. Als sie sie wegnahm, weinte sie: Oh shit, Twyla, shit. Was geschah mit Maggie?“ (p.40), so die letzte Zeile. Die Botschaft ist klar, obwohl wir nicht wissen, wer wofür steht, oder gerade deshalb?: Wir bedürfen Solidarität in unserer Verschiedenheit, Einheit in unserer Diversität. Um diese zu erreichen, muss das Gift der Gleichgültigkeit ausgerottet werden. Es gibt in Toni Morrison’s Welt keine nobodies, wir sind alle somebody. Fazit ein monumentaler Essay in Form einer Novelle, die Rassismus als Faschismus entlarvt und dem Leser Rätsel aufbürdet, die ihn zum Nachdenken zwingen. (351) PS: wie Morrison habe ich die Worte Black and White gewählt