Hello Baby ist ein Roman über Ambivalenz und über das Leben im Dazwischen. Zwischen Generationen. Zwischen gesellschaftlichen Erwartungen. Zwischen dem „Du solltest ein Kind bekommen“ und dem „Aber bitte nicht im Berufsleben“. Zwischen familiärem Druck und einer Arbeitswelt, in der Sorgearbeit ausgeblendet wird. Es ist ein stilles, nachdenklich stimmendes Buch über das Leben im Spannungsfeld widersprüchlicher Zuschreibungen, die tief in patriarchale Strukturen eingebettet sind.
In der Baby-Angel-Klinik in Seoul begegnen sich sechs Personen mit unerfülltem Kinderwunsch. Was sie verbindet, ist nicht nur ein medizinischer Befund, sondern die Erfahrung sozialer Bewertung.
Kim Eui-kyung erzählt diese Geschichte zurückhaltend, aber präzise. In einer knappen, fast sterilen Sprache entwirft der Roman die Erfahrungswelten der Figuren mit all ihren Zweifeln, dem Schmerz und einer stillen Wut. Besonders eindrücklich sind die Passagen, in denen kollektive Erfahrungen sichtbar werden, etwa im Gruppenchat „Hello Baby“, in dem sich die Beteiligten gegenseitig stützen und gleichzeitig jede Person für sich mit einem System ringt, das Körper reguliert und reproduktive Rollen strikt zuweist.
Auffallend und nicht zufällig ist die strukturelle Abwesenheit von cis-männlich gelesenen Perspektiven. Elternschaft wird fast ausschliesslich von gebärfähigen Figuren getragen, wobei es sich ausschliesslich um cis Frauen handelt. Perspektiven von trans*, inter* oder nicht-binären Eltern bleiben unberücksichtigt. Diese Leerstelle spiegelt nicht nur eine gesellschaftliche Realität, in der Sorgeverantwortung oft geschlechtlich binär und ungleich verteilt ist, sondern verweist auch auf eine begrenzte literarische Perspektive.
Was Hello Baby besonders eindrücklich zeigt, ist die Einschreibung patriarchaler Logiken in Körper, Beziehungen und Biografien. Es sind nicht nur äussere Zwänge, sondern auch innere Konflikte, Verunsicherungen und tief verankerte Vorstellungen davon, wie ein Leben zu verlaufen hat. Der Druck kommt von aussen, wirkt aber nach innen, zeigt sich in Selbstzweifeln, im Gefühl des Scheiterns und in der Unsichtbarkeit von Alternativen.
Ein Vorbehalt bleibt. Themen wie soziale Ungleichheit oder queere Elternschaft werden nicht vertieft. Zudem hätte ich mir an mehreren Stellen eine klarere Auseinandersetzung der Autorin mit den normativen Strukturen gewünscht, die gebärfähige, weiblich gelesene Personen betreffen. Diese Erwartungen wirken oft wie ein unhinterfragtes Skript, das eher dargestellt als kritisch reflektiert wird.
Obwohl mich das Buch zum Nachdenken angeregt hat, gerade weil ich mich selbst intensiv mit feministischen Fragen auseinandersetze, blieb mir die persönliche Haltung der Autorin bis zum Schluss unklar. Diese fehlende Positionierung schwächt für mich die politische Schärfe des Textes. Auch wenn Hello Baby wichtige Fragen aufwirft und strukturelle Spannungen aufzeigt, würde ich es nicht eindeutig der feministischen Literatur zuordnen. Dafür bleiben gewisse Passagen zu vage und zu beschreibend, ohne eine klar erkennbare Reflexionsebene.