Wäre Kehlmanns Werk ein Film, so sprächen wir von einem Bio-Pic.
Sein Buch über den Stummfilmregisseur Georg Wilhelm Pabst (“Pabst war einer der drei großen Regisseure in Deutschland”, sagt Daniel Kehlmann im Interview mit dem BR. “Die anderen beiden - Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau - sind heute viel bekannter.”) ist vielmehr eine Collage verschiedener Episoden aus seinem Leben:
Sein Scheitern in den USA infolge eines schwachen Skripts und unfähigen Schauspielern lässt ihn wieder ins Nazi-Deutschland zurückkehren. Ohne Geldgeber kann er seiner einzigen Leidenschaft, dem Filme-Machen, nicht nachkommen.
Aber Pabst kehrt nicht freiwillig zurück. Da ist mal das Angebot der Nazis und da ist der Hilferuf seiner im Sterben liegenden Mutter.
Kehlmann versucht, Form und Inhalt in Einklang zu bringen. So gibt es in den 3 Teilen: DRAUSSEN/DRINNEN/DANACH 21 Episoden, die auf den ersten Blick zusammenhanglos sind, aber letztlich dem zentralen Thema: „Kunst in einem Regime“ unterworfen werden.
Der Roman ist als Rahmenerzählung aufgestellt: Das eröffnende Interview in der Fernsehsendung „Was gibt es Neues am Sonntag?“ findet seine Erklärung im letzten Kapitel.
Auf den ersten Blick ist das ganze ein Potpourri von skurrilen Inszenierungen:
Da ist die schon erwähnte Szene an einem Pool in den Staaten, wo Pabst ein ungenügendes Drehbuch untergejubelt wird, auch weil er sehr schlecht Englisch spricht, da ist die groteske Szene im Ministerium des Propaganda-Ministers, da ist der völlig irre Lesezirkel einiger Frauen von Nazigrössen, die nur Bücher eines vom Regime angestellten Schreiberlings lesen — eine halbwegs gelungene Realsatire —, da ist ein Porträt der Hitler-Geliebten Leni Riefenstahl, die nach Noten und Kanten blossgestellt wird, da ist aber auch die meisterhafte Inszenierung des Films „Molnar“ während der Prager Wirren.
Und schlicht genial gelungen: Die Flucht des Regisseurs mit seinem Assistenten zum Bahnhof in den Kriegswirren mit den Filmspulen im Tornister, und die Beschreibung, wie Pabst in jedem Detail an Kamera-Einstellungen herumhirnt.
Oft gelingt es dem Autor, den richtigen Schnitt anzusetzen, oft aber ist es für den Leser mühsam, seine Absicht zu erkennen.
Daneben tauchen etliche Randfiguren auf, wie der Belgier, der die deutsche Propaganda auf BBC verbreiten soll, aber mit nur für Englisch-Sprechende Hörer verständlichen Seitenhieben aufmischt, wie der Agent Kuno Krämer, der Pabst für Goebbels nach Deutschland zurückholt, wie Pabst unerreichte Liebe Louise Brooks, für die er sofort seine Trude aufgeben würde.
Die eigentlich starke Person ist Trude, Pabst Gemahlin, die nach seinem Absturz den Film in den Höhlen dreht und langsam in die Rolle ihres Gemahls hineinwächst.