Y_Ninck
Helmut Schmidt hat dazu einmal in einer Rede gesagt: “Viele haben davon nichts erfahren, andere Bescheid gewusst. Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen furchtsam schwiegen.” Ich halte diese Aussage für sehr zutreffend. Die Hetze, die Reichskristallnacht, die systematische Vertreibung aller jüdischen Menschen aus sämtlichen Lebensbereichen, das alles fand ja in der Öffentlichkeit statt. Wer es sehen wollte, konnte es also gar nicht übersehen. Aus den Berichten von Geflüchteten werden Anna Seghers und anderen deutschen Exilschriftstellern wohl ziemlich genau klar gewesen sein, wie die Zustände in den Lagern sind. Und wer damals Hitlers Reden und Schriften gehört und gelesen hat, der konnte m.E. sehr genau sehen, worauf es hinausläuft. Ich denke, das war den meisten klar. Das Ausmass der Vernichtung an sich wird hingegen wohl tatsächlich nur den wenigsten bekannt gewesen sein
Bei dem Lager, welches in Anna Seghers “Siebte Kreuz” beschrieben wird, handelt es sich m.E. um ein früheres Lager, in welchem nicht die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung im Vordergrund stand, sondern die “Bekehrung” von Menschen, denen die Gestapo eine falsche politische Gesinnung vorwarf. So kam ja der Protagonist in das Lager, weil er im Verdacht stand, Kommunist zu sein und als solcher an kommunistischen Verschwörungen beteiligt gewesen zu sein. Die eigentlichen Vernichtungslager waren zum Zeitpunkt, in welchem die Geschichte spielt, wohl gerade erst in der Planung oder im Bau.