Pralle Erzählung über Lebenslügen und Schicksalsschläge
Als Leitmotiv über dem Roman prangt ein Zitat von Max Frisch: Die Zeit verwandelt uns nicht sie entfaltet uns nur. (p.214)
Ohne Stammbaum und Zeittafel findet man sich als Leser nur schwer in diesem Text zurecht, denn die beiden Ehepaare Emil und Helena Seitz, Jacques und Friederike Brunold haben zusammen sechs Kinder und eine Unmenge Enkel, und die Geschichte dehnt sich über gut sechs Jahrzehnte aus. Dazu kommen noch zahlreiche weitere namentlich genannte Personen.
Hilfreich zum Verständnis in einem Text, der vorwärts und rückwärts mäandert, ist sicher die Verankerung mit historischen Ereignissen; ist es erstaunlich, dass es sich dabei meist um Katastrophen handelt?
Der Plot dreht sich um die Verbandelung dieser beiden Familien, die einen Pakt des Stillschweigens über das Vergangene ausgehandelt haben. Ihre verschworene Lüge hält die Seitz und die Brunolds über Wasser, aber zur Lebensbewältigung reicht es nicht, tragisch dargestellt an Miriams Schicksal. Schade, werden einige Geheimnisse nie gelüftet.
Dabei sind die fünf Kapitel von drei verschiedenen Erzählern geprägt: Zwei werden vom „Täter“ selbst erzählt, seine Tochter Iris kommt ebenso viel zu Wort und ein fünftes Kapitel gehört ihrer Halbschwester Kathrin; beide erahnen etwas von den Lügengebilden, die ihnen ihre Eltern aufbürden.
Eingewoben sind zahlreiche Mini-Plots:
So will Kathrin die Seitensprünge und ausserehelichen Geburten in einem Theaterstück umsetzen: Motto: Die Wahrheit ist zumutbar (aus Dantons Tod)
Immer wieder referiert die Autorin über das Alter und der Kampf des Menschen dagegen
Gesichter und Körper, denen man nicht nur das schiere Alter ansah, sondern auch das, was sie unterwegs dorthin erlebt und erfahren hatten; alte Menschen, die geprägt schienen von aussen wie von innen… *
…über den Jugendwahn: Nur das letzte Aufbäumen war einer alten, müde gewordenen, beinahe schon vergessenen Schuld oder im Gegenteil die Vorboten eines Geschehens, das eben erst seinen Anfang nahm.*
…über das Schreiben: Unsere Geschichten nähren sich aus dem, was wir nicht verstehen.*
Über die Transparenz unserer Gedanken Wenn man jederzeit auf unserer Stirne lesen könnte, wo unsere Gedanken sind- kein Mensch möchte mit uns die Gegenwart teilen.*
*habe leider die Seitenzahlen nicht mehr präsent
(330)