Meine Meinung zum 1. Teil:
Schon beim ersten Blick auf das Cover und den Titel war ich von dem Buch fasziniert. Die Grafik empfinde ich als sehr ansprechend, und je weiter ich lese, desto passender erscheint sie mir. Auch der Titel ist aussergewöhnlich und bleibt im Gedächtnis. Bisher empfinde ich ihn als sehr treffend. Denn auch der Wahnsinn kann, wie eine Blume, wachsen und gedeihen. Dafür braucht es manchmal nur einen kleinen Samen. Vielleicht ist das der Bezug zum Irrsinn, den du zu Beginn gesucht hast, @Tortuelente ? Ich bin jedenfalls gespannt, ob ich diese Meinung auch am Ende des Buches noch vertreten werde.
Wie auch @DaisyH empfinde ich den Text als einen, den man mehrfach lesen kann, oder sogar sollte. Der präzise Schreibstil und die feinen Beobachtungen ziehen mich stark in den Bann. Besonders gefällt mir, wie Leon Engler historische Fakten und psychologische Details kunstvoll miteinander verwebt. Schon die ersten Sätze haben mich verblüfft und in die Geschichte hineingezogen. Es fällt mir schwer, das Buch zur Seite zu legen. Das ist eine willkommene Abwechslung, denn die letzten ein, zwei Bücher, die ich gelesen habe, konnten mich nicht wirklich begeistern. Ich hatte mich innerlich schon auf eine kleine Leseflaute eingestellt. Doch dieses Buch hat mich daran erinnert, warum ich das Lesen so sehr liebe.
Interessant finde ich die Beobachtung, dass manche den Text als neutral oder gar emotionslos empfinden. Für mich hingegen ist die Sprache emotional aufgeladen. Gerade die präzise Wortwahl und die detaillierten Beschreibungen sorgen bei mir dafür, dass der Text tief wirkt und mich auf verschiedenen Ebenen berührt.
Besonders hervorheben möchte ich die Kapitel mit dem Nachbarn: Sie sind für mich sehr feinfühlig und tiefgründig geschrieben. Auch der Umgang mit schweren Themen wie Suizid oder Depression erscheint mir respektvoll und nahbar. Die Aussage des Nachbarn auf Seite 37 betreffend der Lebenseinstellung des Protagonisten finde ich dabei besonders spannend:
„Ich fürchte gar nicht, verrückt zu werden. Ich fürchte, es nicht zu werden. Denn es sei ein Aufnahmeritual meiner Familie.“
Ich bin neugierig, inwiefern sich diese Aussage im weiteren Verlauf noch bestätigen oder vielleicht sogar als trügerisch herausstellen wird.
Ebenfalls tief bewegt haben mich die Zeilen auf Seite 51, die für mich das Menschsein sehr treffend beschreiben und gleichzeitig unser Streben nach Perfektion widerspiegeln:
„Die Maske ist das Zugeständnis von uns an die Welt. Wir erscheinen, wie wir meinen, dass die Gesellschaft uns sehen will. Immerzu bilden wir uns den Blick der anderen ein. Das, was wir nicht zeigen wollen, nicht wahrhaben wollen, das Unerwünschte, die dunklen Anteile unseres Charakters, verbergen wir.“
Auch die Zeilen auf Seite 56, die eine stille Sehnsucht nach einem unbelasteten Leben ausdrücken, haben mich sehr berührt:
„Manchmal würde ich gerne ohne Erinnerung leben, in reiner Gegenwart.“
Die Erzählstruktur mit ihren Zeitsprüngen und Perspektivwechseln finde ich ebenfalls gelungen. Durch die klare Trennung der Kapitel behalten sie ihre Übersichtlichkeit, und gerade diese Struktur verleiht dem Buch eine angenehme Dynamik, die mir sehr zusagt.
@Schmoekerhuhn: Mein vorläufiges Fazit nach dem ersten Teil ist eindeutig: Ich spreche eine klare Lese- und Kaufempfehlung aus. Ich bin gespannt, ob ich diese Meinung bis zum Ende des Buches beibehalten werde oder ob sich vielleicht doch noch etwas daran ändert. Bereits auf den ersten Seiten finden sich zahlreiche Zitate und Gedanken, die mich berühren oder zum Nachdenken anregen. Zu viele, um das Buch nicht weiterzuempfehlen. Tatsächlich musste ich mich regelrecht auf drei Beispiele beschränken, um diesen Beitrag nicht ausufern zu lassen.
Zum Schluss möchte ich noch eine Frage in den Raum stellen, die mich seit den ersten Seiten beschäftigt: Könnte es sein, dass das Buch autobiografische Züge trägt? Zwischen dem Protagonisten und Leon Engler scheinen einige Parallelen zu bestehen. Ich habe versucht, hierzu mehr in Erfahrung zu bringen, bisher jedoch keine Hinweise gefunden, die meine Vermutung stützen oder widerlegen.