Mein Eindruck vom dritten Teil:
Der dritte Teil hat mich in vielerlei Hinsicht überrascht und ging völlig anders aus, als ich erwartet hätte. Mit so viel Drama hatte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet.
Perspektivwechsel:
Der Wechsel der Erzählperspektive hat dem Buch in meinen Augen sehr gutgetan. Endlich wurden einige meiner offenen Fragen beantwortet, und das Verhalten von Jack wurde in bestimmten Situationen nachvollziehbarer. Gleichzeitig erhielt man einen tieferen Einblick in sein Innenleben, was mein Mitgefühl für ihn geweckt hat. Er hatte es wirklich nicht leicht, und ich hätte mir für ihn ein würdigeres Ende gewünscht. Sein Freitod wirkt auf mich eher feige. Auch wenn er damit vielleicht Zoe gerettet hat, stellt er sich nicht seiner Verantwortung. Immerhin war es letztlich sein Versagen.
Dass sein Tod in der Schwebe bleibt und nicht genau geklärt wird, stört mich persönlich nicht. Im Gegenteil: Es passt irgendwie zur Geschichte. Auch dass man erst so spät Zugang zu seinen Gedanken bekommt, finde ich sehr gelungen. So fiebert man in den ersten beiden Teilen stärker mit Zoe mit und versucht gemeinsam mit ihr zu verstehen, was hinter Jacks Verhalten steckt. Für mich ein kluger Kunstgriff der Autorin.
Zoe und Jacks Beziehung:
Da ich das Buch nicht vorrangig wegen der Liebesgeschichte gelesen habe, hat es mich nicht gestört, dass die Beziehung zwischen den beiden nicht weiter ausgebaut wurde. Dennoch fiel es mir am Ende schwer nachzuvollziehen, warum Zoe weiterhin zu Jack hält. Andererseits sind beide auf ihre Weise tragische Figuren. Keiner von ihnen hatte den Mut, offen über Gefühle zu sprechen oder dem anderen klar zu zeigen, wie viel er ihm bedeutet.
Anerkennung:
Besonders deutlich wurde für mich, dass auch Jack stark nach Anerkennung strebte. Es ist traurig, wenn junge Menschen ein so geringes Selbstwertgefühl haben, dass sie sich ständig Bestätigung von außen holen müssen. Bei Zoe zeigt sich das sehr klar: Ihre Familie nahm sie nur wahr, als sie erfolgreich war. Als alles zusammenbrach, war lediglich ihre Mutter an ihrer Seite, ihr Vater blieb auffällig abwesend. Auch Jack sehnte sich nach Anerkennung. Seine Entscheidung, Forschungsdaten zu fälschen, ist zwar moralisch fragwürdig, aber im Kontext der Geschichte nicht unrealistisch.
Krankheit und Überforderung:
Das Thema Krankheit zieht sich in verschiedenen Facetten durch die Geschichte: angefangen bei Jacks Diabetes, über seine Arbeitsbesessenheit bis hin zu Zoes Drogenabhängigkeit. Die Autorin zeichnet hier ein bedrückendes, aber realistisches Bild der Arbeitswelt, insbesondere in der Forschung: Viele geben sich komplett ihrer Karriere hin und verlieren dabei ihre eigenen Bedürfnisse aus dem Blick. Für mich schwingt hier berechtigte Gesellschaftskritik mit, die ich sehr gelungen finde.
Wissenschaft:
Besonders spannend fand ich, dass die Autorin die Welt der Wissenschaft so authentisch eingefangen hat. Sie gibt einen realistischen Einblick in die Grundlagenforschung, in der Erfolg und Scheitern oft nur einen schmalen Grat voneinander entfernt sind. Letztlich zählt vor allem die Anzahl der Publikationen, idealerweise als Erstautor*in in renommierten Journalen. Dass dabei mit harten Bandagen gekämpft wird, ist leider keine Seltenheit. Ich hätte mir gewünscht, dass dieses Thema noch etwas vertieft worden wäre, verstehe aber, dass dies auf rund 400 Seiten nur begrenzt möglich ist.
Das Ende:
Es ist tragisch, wie schnell über erfolgreiche Frauen geurteilt wird. Oft unterstellt man ihnen, sie seien nur durch ihr Aussehen vorangekommen. Das Internet kann hier besonders gnadenlos sein, vor allem, wenn sich Menschen hinter der Anonymität verstecken, um Neid und Frust abzubauen. Es tat mir sehr leid, dass Zoe solchen Vorwürfen ausgesetzt war. Die Situation war ohnehin schon schlimm genug. Selbst mit dem kleinen Hoffnungsschimmer am Ende, dass ihre Karriere vielleicht doch weitergehen könnte, bezweifle ich, dass sie wirklich eine faire Chance in der Forschung hat. Der Skandal wird Spuren hinterlassen, Freispruch hin oder her.
Fazit:
Das Buch hat mir insgesamt gut gefallen, und ich werde es weiterempfehlen. Allerdings nicht als klassische Romanze, sondern als nachdenklich stimmenden Roman über Scheitern, Verantwortung und den Druck in der Wissenschaft. Die Figuren wurden mir zum Ende hin etwas sympathischer, vor allem, weil ich mit ihnen Mitleid hatte. Die Familie von Zoe blieb mir hingegen so unsympathisch wie zu Beginn.
Schön wäre es gewesen, wenn das Thema Ethik stärker in den Fokus gerückt worden wäre, das hätte sich gut in die Handlung eingefügt. Das Buch hat zudem interessante Fragen zum Thema Altern aufgeworfen, die mich auch nach dem Lesen noch beschäftigt haben.
Vielen Dank, dass ich Teil dieser Leserunde sein durfte. Das Lesen und der Austausch haben mir große Freude bereitet.