Der Einstieg in Der Schlächter war für mich eher mühsam. Schon der Leserappell des fiktionalen Herausgebers, der den Text eröffnet, hat mich eher abgestoßen als neugierig gemacht. Seine Sprache wirkt auf mich steif, hochgestochen und seltsam selbstgefällig – fast so, als wolle er sich für seine eigene Überlegenheit bewundert wissen. Sätze wie „… eine Zwangsläufigkeit, die ich hinnehmen muss“ fand ich geradezu peinlich wehleidig.
Was mich beim Lesen besonders gestört hat – das mag an der Übersetzung aus dem Englischen liegen und ist im Original vielleicht weniger auffällig – ist die altmodisch und teils verkünstelt wirkende Sprache. Da wird jemandem die „Aufwartung gemacht“, junge Frauen „frohlocken“, und Frauenkörper werden durch Fischgrätenkorsette, Spitzenbrokat und Mieder hindurch wie groteske Objekte beschrieben. Ich konnte mich kaum auf die Figuren einlassen – zu sehr war ich mit dem Stil beschäftigt, der mir bemüht und überzeichnet vorkam. Auch das &-Zeichen, das konsequent verwendet wird, hat mich im Lesefluss irritiert und wirkt auf mich eher manieriert als stilistisch gerechtfertigt.
Viele Passagen empfand ich als unangenehm – besonders die Szenen über „junge Damen“, die von geeigneten Junggesellen „erschnuppert“ werden könnten, wenn sie menstruieren. Da war ich nicht nur irritiert, sondern habe mich beim Lesen regelrecht fremdgeschämt.
Alles in allem ist mein erster Eindruck sehr zwiespältig. Ich denke, dass Oates eine sehr vielseitige und zurecht anerkannte und beeindruckende Schriftstellerin ist, die hier ganz bewusst mit Überzeichnung arbeitet und damit auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam macht – insbesondere auf die patriarchalen Strukturen und das damals vorherrschende Frauenbild. Im Mittelpunkt steht eine medizinisch motivierte Obsession mit dem weiblichen Körper, wie sie im 19. Jahrhundert verbreitet war: die pathologisierende Sicht auf Frauen, ihre psychische Gesundheit und ihre Sexualität. Frauen wurden als kuriose, kranke Wesen betrachtet – „Hysterie“ war eine gängige Diagnose für nahezu jedes Verhalten, das nicht den Erwartungen entsprach, sei es Unterernährung, Widerspruch gegenüber dem Ehemann oder einfach das „nicht-Funktionieren“ im Sinne der männlichen Ordnung. Die Ursache wurde im Uterus vermutet, was zu grausamen gynäkologischen „Behandlungen“ führte – chirurgische Eingriffe an den weiblichen Geschlechtsteilen galten als Heilmittel für die vermeintliche Geisteskrankheit. Oates deutet auch an, dass viele dieser Eingriffe zu schwerwiegenden Komplikationen oder gar zum Tod führten, was wiederum vertuscht wurde – etwa im Fall von genähten Fisteln oder anderen nicht überlebten Operationen.
Die Figur des Silas Weir ist für mich durchweg unsympathisch. Er wirkt misogyn, selbstüberschätzend und in seinem medizinischen Machtanspruch vollkommen entgrenzt. Ich finde es – passend zum Genre der Horrorliteratur – verstörend, wie detailliert Oates auf körperliche Zustände wie geschwollene Hämorrhoiden, chirurgische Experimente und Genitalverstümmelung bei jungen Mädchen eingeht. Auch Szenen von Auspeitschung und brutalen Geburten mit der Zange sind schwer zu ertragen – und sollen es, so mein Eindruck, auch ganz bewusst sein.
@daisyfee: Die Geschichte beruht übrigens auf der historischen Figur des amerikanischen Arztes J. Marion Sims – wie man im Dank hinten nachlesen kann. 😉