Tartufo
Ich denke auch, dass der Wunsch, ein Kind zu bekommen, bei manchen Menschen ein tief verankertes, intrinsisches Bedürfnis ist und vielleicht auch sein sollte. Ideal erscheint mir ein Kinderwunsch, der aus einem inneren, unhinterfragten Drang heraus entsteht und nicht durch gesellschaftliche Erwartungen oder normative Rollenzuschreibungen motiviert ist. Gleichzeitig finde ich es unglaublich schwer, diese Ebenen, das Persönliche und das gesellschaftlich Geprägte, wirklich voneinander zu trennen. Woher weiss ich denn, was wirklich mein eigener Wunsch ist?
Die Worte aus dem Nachwort, «Ich finde keine Worte. Ich möchte es treffen.», haben auch mich sehr berührt. Sie bringen für mich auf den Punkt, wie schwer dieses Thema in Sprache zu fassen ist. Der Kinderwunsch ist oft kein rational formulierbares Bedürfnis, sondern ein diffuses, emotionales Empfinden. Ich finde, es sollte ein starker innerer Wunsch sein, aber einer, der mit Reflexion, Verantwortung und Ressourcenbewusstsein einhergeht. Was bedeutet es, ein Kind in die Welt zu setzen? Welche emotionalen, zeitlichen, finanziellen und sozialen Ressourcen bringt man mit? Reichen sie womöglich nur für ein Kind? Und: Wie viele Kinder wünscht man sich überhaupt und warum?
Ich frage mich auch oft: Wie sicher muss man sich sein, bevor man diesen Schritt geht? Reichen 70 Prozent Sicherheit? Oder gehört ein gewisser Anteil an Zweifeln einfach dazu? Ich merke beim Schreiben selbst, wie komplex es ist, eine eindeutige Haltung zu finden. Vielleicht ist es gar nicht nötig, völlig sicher zu sein. Vielleicht geht es vielmehr darum, sich dem eigenen Wunsch ehrlich zu stellen, mitsamt aller Ambivalenzen. Denn in den meisten Fällen wird das Leben ohnehin neu geordnet, wenn ein Kind da ist, oder, wie das Buch auch schön aufzeigt, schon in der Phase der Familienplanung.
Was für mich klar ist: Es ist nicht problematisch, den eigenen Kinderwunsch zu hinterfragen, im Gegenteil. Problematisch ist es eher, das nicht zu tun. Ein bewusster, reflektierter Umgang mit den eigenen Motiven, den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und auch den Zweifeln erscheint mir essenziell. Und dieser Prozess betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern sollte auch in Beziehungen generell Platz haben. Das macht das Thema so vielschichtig, es hört nie bei der «Einzelentscheidung» auf. Gleichzeitig setzt ein solch reflektierter Umgang auch viele emotionale und kognitive Ressourcen voraus. Umso wichtiger wäre es, sich solidarisch zu zeigen, als Gemeinschaft, als Gesellschaft. Ihr kennt sicher das Sprichwort: «Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf.» Umso schmerzlicher finde ich es, dass gleichzeitig so viel Verantwortung auf Einzelpersonen, meist Frauen*, abgeladen wird und Familie so stark privatisiert wird.
Dein Einwurf zum finanziellen Aspekt, insbesondere im Kontext von Kinderwunschbehandlungen, finde ich zentral. Auch ich habe mich gefragt, wie sich die Protagonist*innen im Buch all die Versuche leisten können. Im Text wird das kaum thematisiert, obwohl es in der Realität ein riesiger Faktor ist. Dass du 50′000 Franken für zwei Kinder bezahlt hast, zeigt, wie gross diese Hürde ist und wie viele Menschen aus finanziellen Gründen gar nicht erst an Familienplanung denken können oder nach wenigen Versuchen aufgeben müssen. Mich hätte sehr interessiert, wie das in Südkorea geregelt ist: Gibt es staatliche Unterstützung? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Wie du bereits angeschnitten hast, übernimmt die Grundversicherung in der Schweiz lediglich die Stimulationstherapie plus drei Inseminationen (IUI), typischerweise innerhalb eines Jahres. Dies gilt auch nach einer Schwangerschaft: Es gibt erneut Anspruch auf bis zu drei IUI-Zyklen innerhalb der folgenden zwölf Monate. Alles darüber hinaus, also IVF/ICSI oder zusätzliche IUI-Zyklen, muss privat bezahlt werden.
Auch dein letzter Punkt zur Rolle der Männer hat bei mir viel ausgelöst. Die Abwesenheit vieler Männer zieht sich wie ein leiser, aber präsenter Faden durch das Buch. Gerade im Kontext künstlicher Befruchtung wird deutlich, wie marginal die männliche Beteiligung häufig ist: biologisch oft auf eine Samenspende reduziert, während Frauen den emotionalen und organisatorischen Aufwand tragen (Stichwort Mental Load), mitunter unter Inkaufnahme eigener Erwerbseinbussen und dem Risiko, in eine ökonomische Abhängigkeit zur Partner*in zu geraten.
Und nun, auf die Schweiz bezogen, kommt noch eine rechtliche Dimension hinzu: In der Schweiz kann ein Mann durch eine einfache Vaterschaftsanerkennung oder eine Heirat Vater werden, unabhängig davon, ob eine genetische, emotionale oder tatsächliche Verbindung zum Kind besteht. Gleichzeitig müssen queere Elternteile, die ihr Kind gemeinsam geplant und begleitet haben, oft noch immer eine aufwendige Stiefkindadoption durchlaufen, etwa wenn das Kind durch eine private Samenspende oder im Ausland in einer Klinik entstanden ist. Die Ungleichheit und der normative Blick auf «richtige» Elternschaft wird hier sehr deutlich und macht einmal mehr sichtbar, wie viele gesellschaftliche Rahmenbedingungen in diese persönliche Entscheidung hineinwirken.
Insgesamt bleibt bei mir der Eindruck, dass das Thema Kinderwunsch ein hochkomplexes Geflecht ist, aus Emotionen, Körpern, Geld, Beziehungen, Gesellschaft und Politik. Und genau deshalb finde ich den Austausch darüber so wertvoll. Danke euch allen für diesen Raum.