DrQuinzel Man springt mitten in die Geschichte von Lou und ihrer Familie. Der Schreibstil ist sehr flüssig und leicht zu lesen. Es wird der ganze Hintergrund von Lou und Sergej aufgerollt, wir erfahren schon viel finde ich. Leider ist Lou für mich nicht sehr sympathisch. Sie scheint eine Perfektionistin zu sein, die ihr Kind «richtig» erziehen will und die Auszeit, die sie sich nimmt, ist natürlich nicht einfach nur für sie und ihre Familie, sondern sie muss gleich ein Buch schreiben. Das Thema Leistung ist sehr präsent. Das Thema Judentum wirkt, wie schon jemand geschrieben hat, eher aufgesetzt. Wenn ich so überlege, tut mir Lou auch ein wenig leid, denn es wird deutlich, dass sie nicht wirklich glücklich ist, obwohl die äusseren Umstände stimmen. Während des Lesens standen bei mir eher Gefühle von Unverständnis auf. Warum ist sie so sehr darauf aus, dass ihre Tochter etwas über das Judentum lernt? Sie selbst lebt es ja nicht. Und auch die musikalische Früherziehung muss unbedingt sein, obwohl es dem Kind dort nicht gut läuft. Für mich ist sie eine sehr ambivalente Figur, die ihren Mann nur geheiratet hat um es ihrer Mutter zu zeigen. Sergej finde ich menschlicher und zugänglicher. Leider sieht es für Sergej nicht gut aus. Bin gespannt wie er sein weiteres Leben organisieren wird. Ich traue ihm aber zu, dass er etwas findet, dass ihm wirklich entspricht. Die Reise von Lou und Rosa wird sicher turbulent. Ob es eine gute Idee ist? Lou findet, dass sie ihrer Mutter die Reise schuldig ist. Mal sehen, wie es weiter geht. Ich hoffe, dass Lou mal etwas lockerer und menschlicher werden kann.
PS: Ich muss etwas hinzufügen: Ich habe Lou wirklich unrecht getan. Sie schreibt das Buch nicht einfach aus einer Laune heraus, sondern als Teil eines Projekts, das ihr helfen soll, den Verlust ihres zweiten Kindes durch eine Fehlgeburt zu verarbeiten. Wie ich diesen Aspekt beim ersten Lesen so übersehen konnte, ist mir ein Rätsel.