Fanny
Persönliches: Die letzte Hälfte des dritten Leseabschnitts las ich am Tag nach der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Und er hat mir emotional richtig gut getan: Die Amazonen steigen aus der Rakete und metzeln alles nieder, die Villa fliegt in die Luft, die Neofaschisten werden ermordet, Favorita wird blutig gerächt, der Tiger gehört zu Ortega und rächt die Opfer der Tierwelt. In meinem Kopf fand ein comicartiges Racheinferno statt, das den Marvel-Filmen alle Ehre machen würde. Es hat mir gut getan. Ehrlich.
Themen: Es gibt diesen Moment, in dem die sagenumwobenen Gäste in der Villa eintreffen – alles Männer, die Regierungsposten bekleiden. Die regierenden Frauen werden nicht nur nicht eingeladen, sondern sie werden auch lächerlich gemacht. Im Buch werden die Themen beim Namen genannt: die Femizide, der italienische Neofaschismus, die misogynen und patriarchalen Strukturen in Vergangenheit und Gegenwart. Dieses Buch ist nun aktueller als noch vor 5 Jahren, weil gerade jetzt im größten demokratischen Land ein Sexualstraftäter und verurteilter Betrüger zum Präsidenten gewählt wurde - statt einer erfahrenen Staatsfrau.
Handlung: Mit so einem Ende hätte ich jedenfalls nicht gerechnet. Während der ersten zwei Drittel köchelte die Story so vor sich hin. Manchmal köchelte es nicht mal mehr richtig. Fila dissoziierte immer wieder in den Brunnen der Träume, der Passivität und in die Vergangenheit. Wenn man erwartete, dass sich die Handlung weiterentwickelte, fand man sich erneut in einer anderen Erzählung wieder (sei es Geisterjagd, Vergangenheit, Sisinas Geschichte oder das Abdriften in andere Welten). Manchmal dümpelte die Geschichte scheinbar unmotiviert vor sich hin, doch gegen Ende des Buches wird es doch flüssiger und auch konkreter.
Sprache: Aus meiner Sicht in einer neuen, jungen Sprache geschrieben, die sich homogen in der ganzen Erzählung abbildet - ausser bei Sisinas Geschichte. Das ist wohl bewusst geschehen. Am Schluss erzählt die Autorin, was sie zu dem Buch inspirierte.
Erwartungen: Als ich den Klappentext gelesen hatte, erwartete ich einen schnelleren Rhythmus in der Geschichte. Ich glaube, die Begriffe “Roadtrip” und “Rachekrimi” haben mich darauf gebracht. Das irritiert etwas, denn ist es ein langsamer, teilweise statischer Roman, der oft und lange inne hält, um dann urplötzlich schnell und laut zu werden.