Mich würde interessieren, wie andere das sehen. Mein Freund und ich diskutieren oft über das Thema. Dass der Hauptcharakter eines Buches eigentlich so sein sollte, dass man ihn mögen sollte. Ich finde, es muss nicht unbedingt so sein. In “Everyone I know is Dying” war die Hauptperson nur sehr schwqer zu mögen. Aber ich denke, das soll auch so sein. Ich lese gerne Bücher, dessen Charaktere auch mal nicht “gut” sind. Was denkt ihr?

Alexilexi Es ist sicher hilfreich, wenn die Hauptfigur sympathisch ist. Einfach, wenn weil man sich besser mit ihr identifizieren kann. Ich finde aber nicht, dass es ein muss ist. Wenn die Figur in sich stimmig ist und man ihre Handlungsweise nachvollziehen kann, kann darin auch ein besonderer Reiz liegen. Mein letztes Buch war “Signum” und ich mochte eigentlich keinen der Beteiligten und habe trotzdem mit gefiebert.

Alexilexi Persönlich finde ich genau so wenig, dass Hauptcharaktere zwingend sympathisch sein müssen, wie dass man sich zwingend mit ihnen identifizieren können muss. Ich denke, dass eine solche “Anforderung” das Lesen ziemlich einschränken würde… Es würde mich bspw. daran hindern, Bücher zu lesen über Themen, zu denen ich keinen (direkten) Bezug in meinem Alltag habe, und viele solcher Bücher erweitern den Horizont und regen zum Nachdenken an, was ich nicht missen wollen würde. Mir ist viel wichtiger, dass die Charaktere authentisch sind. Vielschichtige, komplexe Charaktere wirken auf mich auch viel realistischer und lebensnaher, als soche die nur gut sind und immer das richtige tun. Ich glaube aber auch, dass es auf das Buch ankommt. Manche Bücher transportieren Nachrichten, für die es wichtig ist, dass die Hauptperson nicht (nur) sympathisch ist, bei einer leichten Sommerlektüre einfach zum abschalten hingegen ist es sicher hilfreich, wenn man die Figuren mag. Aber am Ende wird es wohl Geschmacksache bleiben, ich finde die Frage und die unterschiedlichen Ansichten trotzdem spannend.😊

Alexilexi Ich denke auch, dass das nicht unbedingt so sein muss. Interessant finde ich, dass man sich glaube ich ja immer ein Stück weit mit dem Hauptcharakter identifiziert, auch wenn man ihn nicht einmal mag. Im Buch “Schuld und Sühne” von Dostojewski ist es mir gerade so gegangen. Der Autor spielt darin ein wenig damit, dass man sich ein Stück weit in den Mörder (der Hauptcharakter) und seine Beweggründe hineinversetzen muss. Diesem Sog entkommt man irgendwie gar nicht. Trotzdem denke ist es schon gut so, dass Hauptcharaktere grundsätzlich sympathisch wirken.

Josia Ich kenne das Buch Schuld und Sühne nicht, darum kann ich mich dazu nicht äussern, aber was mir eingefallen ist, als ich diese deinen Kommentar gelesen habe, ist das Phänomen um das Buch “You - du wirst mich lieben”. Auch dieses Buch habe ich nicht gelesen (😂), aber die Serie dazu gesehen, und das Thema ist ja ein Mann, der sobald verliebt besessen von Frauen ist und diese sowie andere Personen aus ihrem Umfeld kontrolliert, stalkt und auch tötet. Worauf ich hinaus will; Die Geschichte wird aus seiner Sicht erzählt, weshalb die Grenzen zwischen Gut und Böse zu verschwimmen scheinen und manche Lesenden/Zuschauenden seine Taten (welche diskussionslos Straftaten darstellen) dadurch legitimieren, dass er alles - aus seiner Sicht - aus Liebe getan hat. Ich sehe also durchaus auch eine potenzielle - for lack of a better term - Gefahr darin, wenn man sich mit jeder Hauptperson identifiziert (wobei ich zugebe, dass dieser spezifische Fall eine junge Zielgruppe betrifft und diese Gefahr bei den meisten Lesenden nicht so gross ist wie bei Teenagern). Du hast ja geschrieben, dass man sich auch in deinem Buch in einen Mörder hineinversetzen muss, und dies finde ich durchaus spannend. Ich finde, es kann sehr lehrreich sein, andere Perspektiven einzunehmen und Dinge aus der Sicht anderer versuchen zu verstehen. (Gerade bei Straftaten, die in der Gesellschaft sehr oft pauschalisiert und - wenn psychische Erkrankungen involviert - stigmatisiert werden, ohne die Einzelfälle genauer anzuschauen.) Ausserdem kann es auch dabei helfen, Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Lebensentwürfen beizubehalten/zu schaffen. Was ich kritisch - wohl kritischer als die meisten Lesenden - betrachte, ist das Genre Dark Romance (und auch alle anderen Bücher, die Gewalt/gewaltbereite Charaktere romantisieren oder bagatellisieren). Ich finde, je jünger die Zielgruppe, desto sensibilisierter sollte man darauf sein, inwiefern eine heroisierte Hauptperson, resp. wenn es ein ganzes Genre ist ganz viele verschiedene Hauptpersonen, falsche und in diesem Zusammenhang auch durchaus gefährliche Erwartungen und Vorstellungen bei Teilen von dieser Zielgruppe auslösen kann. Das ist aber wahrscheinlich etwas anderes als das, was @Alexilexi mit ihrer Frage gemeint hat, weil dort Charaktere und Handlungen legitimiert, und eben gerade nicht unsympathisch geschrieben werden.

Eine spannende Frage! Musste sie erst etwas setzen lassen… Aber ich schliesse mich den Inputs hier an: der Hauptcharakter muss authentisch sein - als Identifikationsfigur gerne auch sympathisch 😅 aber nicht zwingend. Es kommt auch darauf an, was für ein Buch/Genre es ist. Lese ich eine Lebensgeschichte eines Psychopathen , will ich mich ja nicht gleich lesenderweise in ihn verlieben, weil er mir dermaßen sympathisch ist! Wohlfühlliteratur braucht schon ein Übergewicht an sympathischen Figuren - und wenn ein Kotzbrocken darunter oder Hauptperson ist, dann soll er sich wenigstens im Laufe der Geschichte ‘bekehren’. Ich denke, das es keine ultimativ richtige Antwort gibt… es bleibt also weiterhin Spielraum für Diskussionen 😂!

Eine sehr interessante Frage. Nicht zwingend, aber es ist von Vorteil. Oft haben Hauptfiguren auch Begleiter in die man sich besser hinein versetzen kann, als in die Hauptfigur selber. Die Figuren in “gut” und “böse” einteilen würde ich jetzt nicht. Einfach weil es meistens eine Ursache für eine Handlung gibt. Da kommt dann die Hintergrund Geschichte der jeweiligen Figur zum zuge. Ich schreibe schon länger an eigenen Geschichte und es ist nicht so einfach dem Leser eine Figur zu geben mit der er sich identifizieren kann. Besonders wenn die Hauptfiguren noch jung sind oder es mehrere sind die als Gruppe interagieren. Ich habe auch keine Figuren die nur “böse” oder nur “gut” sind. Das ist irgendwie gar nicht möglich eine solche Figur zu “erschaffen”.

Nein, für mich müssen Hauptcharaktere nicht zwingend sympathisch sein und ich muss mich nicht mit ihnen identifizieren können. Ich finde es sehr spannend von Chrakteren zu lesen, die ganz anders funktionieren als ich. Ich erfahre Dinge und Gedanken, welche ich sonst nicht entdecken würde und das ist doch auch ein besonderer Lesezeiz.

Ich schliesse mich der Mehrheit an - sympathisch muss es nicht sein, aber nachvollziehbar, pausibel. Stimmig und authentisch fiel auch, das gefällt mir gut. Ich denke aber auch, dass es genreabhängig ist. Und vielleicht auch stimmungsabhängig, weil manchmal brauche ich einen sympathischen Charakter, mit dem ich mich dann auch gerne identifizieren will. Ich denke, beim Schreiben kann man sich einer sympathischen Figur durchaus annähern, aber jeder hat da meiner Meinung nach eigene Vorstellungen von sympathisch. Wenn jeder dann befriedigt werden soll, müsste man wohl mehrere Versionen eines Hauptcharakters schreiben. Mir gefallen jedoch auch immer Figuren, die grau sind. Im Codex Alera gibt es einen Charakter, der sich über 6 Bände hinweg so wunderbar entwickelt und genau dem “grau” entspricht … und eben mal gut und böse ist, beides absolut nachvollziehbar.

Trylanfyrr Ich denke, beim Schreiben kann man sich einer sympathischen Figur durchaus annähern, aber jeder hat da meiner Meinung nach eigene Vorstellungen von sympathisch. Wenn jeder dann befriedigt werden soll, müsste man wohl mehrere Versionen eines Hauptcharakters schreiben. Mir gefallen jedoch auch immer Figuren, die grau sind. Im Codex Alera gibt es einen Charakter, der sich über 6 Bände hinweg so wunderbar entwickelt und genau dem “grau” entspricht … und eben mal gut und böse ist, beides absolut nachvollziehbar. So eine “graue” Figur gibt es in der Geschichte die ich schreibe auch. Als Piraten-Kapitän wird er erst mal als böse wahrgenommen, aber er hat so seine Prinzipien und ist wesentlich vielschichtiger als man erwartet. Dass er als wichtige Nebenfigur immer wieder in Kontakt mit den Hauptfiguren kommt erlaubt es seine Geschichte kennen zu lernen. Schliesslich wollen die Hauptfiguren wissen mit wem sie es zu tun haben.

Hmmm das Wort Authentisch ist hier mehrfach gefallen - das fand ich doch ganz gut. Eure Meinungen waren spannend zu lesen! Ich denke, solange man Beweggründe versteht und ein Charakter nicht nur schlecht ist damit ein schlechter Charakter vorhanden ist, kann ich das auch verstehen. Und wie gesagt, ich mag auch mal Geschichten mit weniger guten Leuten lesen. 🤭

Müssen Hauptcharactere immer sympathisch sein?

Schoma

Gaso mit ‘plätschern’ meine ich jene langweiligen Lektüren, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie nur aus Worten, aber nicht aus Inhalt bestehen - letzterer muss nicht immer und per se ‘schwer’ und ‘gewichtig’ sein - wie Du schreibst, je nach Stimmung und Bedarf.

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