Guten Morgen zusammen
Ich hoffe, ihr habt mit dem zweiten Teil (noch) etwas besser in die Geschichte gefunden, denn dann können wir heute mit der Besprechung starten.
Wie sind eure Eindrücke nun? Wie gefiel euch der zweite im Vergleich zum ersten Teil? Gab es etwas Neues, etwas, das euch überrascht hat? Wie haltet ihr es mit der Spiritualität? Ist das etwas, an das ihr glaubt, das ihr für möglich haltet, das euch als fantastisches Element gefällt oder mit dem ihr gar nichts anfangen könnt?
Mit Yejides spiritueller Erfahrung am Anfang verstärkte die Autorin nochmal ihre Beschreibung von Farben, Emotionen und Empfindungen, fand ich. Das ist eine der grössten Stärken ihres Textes. Mir gefällt, wie unterschiedlich durch unsere beiden Perspektiven auf dasselbe Ereignis geblickt werden kann. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Yejide sich stark oder mächtig fühlt während der Erfahrung zu Beginn des zweiten Teils, aber den Eindruck macht sie auf Darwin, als sie am Gitter rüttelt und unbewegt inmitten des Sturms steht. Durch das Zusammentreffen von Yejide und Darwin bekommen wir erst einen Blick von aussen auf beide.
Das Krimi-Element am Ende des zweiten Teils bringt, zusammen mit der Frage, wer der mysteriöse Mann auf dem Friedhof ist (habt ihr eine Idee?), etwas Rätselspannung in den Roman.
Eigentlich ist die Gesellschaft Trinidads ja kein Hauptthema des Romans, trotzdem bekommen wir ein Bild vom Leben dort, oder? Auch von den wirtschaftlichen Zuständen (Stichwort Arbeitslosigkeit), der Armut, Korruption und der Kriminalität.
Ich habe auch in den Originaltext geschaut, weil wir ja auch über die deutsche Sprache gesprochen hatten und der Ausgangstext weist doch einige Besonderheiten auf:
- Bei Verben in der 3. Person Singular fehlt das -s am Ende («She press the first layer of tobacco down into her ebony pipe.»)
- Statt Präteritum wird auch mal Präsens verwendet, auch wenn der Satz im Präteritum begann («It had no buildings, no boundaries, no gates, and the animals live together without territory to guard and borders to mind.»)
- Bei Plural werden Verbformen im Singular genutzt («The ocelots was big like tigers…»)
- Beim Gerundium wird die Form von «to be» weggelassen («The animals could talk to each other, just like I talking now,…»)
- Grundsätzlich kommt es zu Auslassungen, so auch bei «… and her granny face …» statt «… and her granny’s face …» oder «Easy to feel hopeful when the sky clear …» statt « … when the sky is clear …»
Ihr seht also: Die Sprache unterscheidet sich stark vom Englisch, wie wir es kennen. Das macht die Übersetzung solcher Texte unwahrscheinlich knifflig. Übersetzer*innen stehen vor der Frage: Ignoriere ich diese Besonderheit oder versuche ich sie im deutschen Text zum Ausdruck zu bringen? Henning Ahrens hat letztens «Falls ich dich überlebe» von Jonathan Escoffier aus dem Englischen und dem Patwah (das auf Jamaica gesprochen wird) ins Deutsche übersetzt und stand vor derselben Entscheidung. Er beschloss, in der Übersetzung keinen Unterschied zu machen, um das Patwah nicht herabzusetzen. Das wurde ihm jedoch prompt in einer Rezension angekreidet, weil dadurch was vom Flair, von der Botschaft verloren ging. Ahrens’ Sorge war jedoch, dass eine unmarkierte Übertragung im Deutschen, durch Auslassungen, Zusammenführung von Wörtern, ungewöhnlichen Kombinationen und Ähnlichem, das Publikum ähnlich zum Stolpern bringt wie uns an manchen Stellen in «Als wir Vögel waren». Dass die Irritation zu gross ist.
Ihr seht, Michaela Grabinger stand vor einer undankbaren Entscheidung. Aber vielleicht liest es sich mit diesem Hintergrundwissen etwas versöhnlicher?! ☺
Und jetzt höre ich auch auf, euch zuzutexten und bin gespannt auf eure Meinungen.
Liebe Grüsse und habt ein schönes Wochenende,
Kathrin
PS: In der deutschen Übersetzung fehlt interessanterweise der Hinweis der Autorin, Orte und Figuren ihrer Erzählung seien rein fiktiv. Mir hätte der Hinweis im Deutschen das Googeln nach Port Angeles etc. erspart 😅