Mein Wort für dieses Buch bleibt krass. Der plötzliche Schwenk zur Corona-Pandemie hat mich komplett überrascht. 9/11 und die Burka hatten eindeutig eine falsche Fährte gelegt. Und dann plötzlich dies. Dunkel erinnerte ich mich, dass Corona an einer einzigen Stelle thematisch aufgeblitzt war und mich kurz irritiert hatte. Und nun diese Wendung! Mein spontaner Verdacht: Loucadou befand sich immer noch auf der Suche einem Thema, zu dem Jo Mette ins Verderben würde manipulieren können. Womöglich haderte sie sogar bereits das eine oder andere Mal mit ihren ersten Versuchen? Und dann, zack, Lockdown, alle bleiben zuhause, Diskussionen ohne Ende, Verschwörungstheorien, erste Demos… Die Realität servierte ihr die Lösung nahezu auf dem Silbertablett. Aber: So unerwartet und zufällig ich den Schwenk zum Thema Corona auch empfand. Wie die Autorin danach ihre Geschichte vorantreibt, ist in meinen Augen brilliant.
Mette ist ein überdurchschnittlich intelligentes Mädchen, das sich total allein fühlt seit dem Bruch mit Yagmur. Und dann ist da plötzlich Jo, der ihr intelligenzmässig nicht nur das Wasser reichen kann, sondern sie regelrecht herausfordert mitzuhalten, und immer, wenn ihr das gelingt und sie ihm ansieht, dass eine prompte Antwort ihn beeindrucken konnte, fühlt sie sich endlich wieder richtig gut. Was mir auch gefiel ist, dass Mette ihm nicht kopflos auf den Leim geht, sie antwortet immer wieder auch kritisch und fordert Jo damit ihrerseits heraus, clever zu parieren. Dass Mette irgendwann doch daran glaubt, einen tollen Freund gefunden zu haben – wohl spätestens, als er sie aus ihrem Shitstorm-Sumpf wieder ans Licht holt – und dass er wirklich meint, was er sagt, ist für mich irgendwie nachvollziehbar. Sogar an der Stelle, als Jo’s (bösartige) Manipulation sie dazu provoziert, bereit zu sein, sich für die gemeinsame Sache sogar selbst zu verletzen. (So unglaublich es einem auch vorkommen mag.)
Dass es dann ausgerechnet “stupid” Mia ist, die Mette rettet, indem sie ihr in letzter Minute die Augen öffnet, ist für mich ein amüsanter Kniff, der dazu passt, dass dieses Buch in meinen Augen, trotz allem, viele ironisch-amüsante Sätze, Passagen und Formulierungen enthält. Und das Happy End mit Yagmur ist in meinen Augen einfach schön. Das habe ich mir auch vom letzten «BUMM» nicht mehr miesmachen lassen wollen.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat. (Ohne diesen Lesekreis, der mich dazu veranlasste, mich viel intensiver als sonst mit dem Gelesenen auseinanderzusetzen, wäre mein Urteil womöglich anders ausgefallen.) Der Autorin ist es gelungen, eine stimmige und spannende Geschichte zu kreieren, die sehr viele Themen unserer aktuellen Gesellschaft aufgreift, oft messerscharf beobachtet und raffiniert miteinander verknüpft. Durch die digitale, nahezu permanente Vernetzung sind es so viel mehr Einflüsse geworden, die jede von uns umgeben. Einen eigenen Weg durch diesen Dschungel zu finden, ist gerade für Teenager ganz bestimmt nicht leichter geworden. Jo ist für mich ein Beispiel, wo es richtig schiefgelaufen ist, Mette hat zweimal gerade noch die Kurve gekriegt. Wie es weitergeht, mit beiden, kann jede für sich selbst weiterfantasieren.
Merci für diese Erfahrung, Fanny.