Zuerst konnte ich die Seite der Leserunde nicht öffnen - bin dann etwas “herumgeturnt” (hatte sogar Fanny um Hilfe angeschrieben) und auf einmal ging es. Ich habe den Eindruck, dass das dauerhafte Eingeloggtbleiben manchmal spuckt…
Das Buch hat mir schier den Atem verschlagen! Ich hatte nie gedacht, dass ich einmal zwischen zwei Buchdeckeln meinem alter ego begegnen könnte. Aber so ist es. Elizabeth Zott und ich haben so viele Gemeinsamkeiten, dass ich ihr Handeln und Verhalten 1:1 verstehe. Auch ich war ein komisches Kind, das sich mehr für Wissenschaft interessierte als irgendwelchen “Kinderkram” - ich hasste dieses Getue: welcher Junge hat welches Mädchen angeschaut etc etc. Auch ich wollte unbedingt in die Wissenschaft. Und auch ich erlebte in meiner praktischen Tätigkeit in einem Forschungslabor, was es heisst, von Männern nicht ernst genommen zu werden. Und als Sexobjekt in den Fokus zu geraten. Obwohl meine eigene Geschichte sehr viel später stattfand!
Daher ist mir Elizabths Handeln so vertraut. Die Selbstzzweifel, die niemand sieht, weil man die hermetisch in sich verschliesst. Die kühle, sachliche Art im Umgang mit anderen Menschen. Die gewisse Vorsicht.
Der manchmal spröde Umgang zwischen Calvin und Elizabeth deutet für mich darauf hin, dass auch er als Mensch enorme Sebstzweifel hat. Und weil das so ist, gibt es die Angst vor Verletzung und Rückweisung. Also lügt man, auch wenn man es im selben Moment bereut. Es ist wie ein innerer Zwang, ein Automatismus. So sehe ich die Szene zwischen Calvin und Elizabeth als sie auf ihre Familien zu sprechen kommen. Sie sind weder bereit noch fähig zu mehr in dem Moment.
Wunderschön ist auf Seite 45 das Bild des Puzzles für ihre Beziehung. Das ist einfach richtig!
Zuerst war ich erstaunt, dass sich Elizabeth auf das Rudern einlässt und habe das für mich durchdacht. Aber das Rudern passt zum Ganzen! Es verlangt geistig wie körperlich enorm Kraft - Kampfgeist und Durchhaltewillen, aber auch eine Einstimmung auf die anderen Ruderer. Ich habe einen anderen Sport gemacht, aber der verlangte ebenfalls sehr viel Kraft, Durchhaltevermögen und Einfühlen in den Partner. Ja, das Rudern passt zu Calvin und Elizabeth. Und zeigt ihren Mut, wenn man bedenkt, dass sie nicht schwimmen kann!
Schoma schreibt, dass sie es befremdlich findet, dass einem Hund eine eigene Persönlichkeit zugeschrieben wird und eine Biografie. Das mag für sehr viele Leute befremdlich wirken - wenn ich jedoch die jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus der Biologie heranziehe, ist das ganz und gar nicht befremdlich für mich. Es würde hier zu weit führen, nur so viel: wir Menschen sollten uns schleunigst von der Arroganz verabschieden, zu glauben, dass wir alleine denken. Unangenehm, ich weiss. Aber wie so Vieles andere ist auch das Denken nicht plötzlich in uns entstanden, sondern ist eine weitere Etappe in dem, was die Evolution mehrfach und verschiedenen Versuchen entwickelt hat. Übrigens, Pflanzen haben neben unseren 5 Sinnen noch mindestens 15 weitere, die bis jetzt bekannt sind…
Ich denke, dass Bonnie Garmus, den Hund Halbsieben als eine tragende Konstante im Roman eingeführt hat. Wir werden sehen.
Was mir sehr gut gefällt und auf die Geschichte wirklich passt wie ein Handschuh, ist der Erzählstil von Garmus. Kein Schmuckwerk von Adjektiven. Keine Wortschnörkel. Keine epischen Gefühlsduseleien. Dagegen einfach. Klar. Beinahe sachlich. Aber aus der Situation heraus voll Humor. Ich würde sagen: lakonisch! Der Stil entspricht den beiden Charakteren von Calvin und Elizabeth.
Das Kapitel 10 lässt am Ende aufschrecken und der Blick rast zu Kapitel 11, hoffend, dass das nicht wahr ist. Doch Calvin stirbt. Ein Schock zunächst. Doch Hand aufs Herz - eine ausführliche Liebesgeschichte wäre falsch gewesen in dieser Geschichte. Es wurde bisher alles gesagt, was grundlegend für die Liebe zwischen Elizabeth und Calvin. Die Essenz ist da. Mehr wäre Kitsch. UND Kapitel 1 hat sofort darauf hingewiesen, dass es um Elizabeth und ihre Tochter Madeline geht - von einem Mann/Vater ist da nicht die Rede.
Die Zettel in Mads Lunchbox sehe ich weder als manipulierend noch als Ausdruck einer Helikoptermutter. Wie man sieht, geht Mad damit sehr reif um - sehr viel reifer, als man von einem Kind dieses Alters erwartet.
Es gäbe noch so Vieles zu schreiben, aber mich würden jetzt andere Meinungen interessieren. Vor allem, weil ich das Gefühl habe, nicht neutral zu sein, weil ich mich so mit Elizabeth Zott identifiziere..