Das Cover zeigt eine Frau mit Tasse in der Hand, wie sie auf ihrer Veranda steht und Richtung Meer blickt. Als kleines Detail kann man noch einen Radioempfänger sehen, der der Szene einen nostalgischen touch gibt. Am Meer von Elizabeth Strout erschien im derDiwan Hörbuchverlag. Das Hörbuch wurde von Barbara Stoll eingelesen. Es ist der vierte Band der Lucy-Barton Reihe, der nach meinem Empfinden unabhängig von den ersten Bänden gehört werden kann. Ich persönlich kenne nur diese Geschichte und konnte dem Geschehen gut folgen. Die Geschichte dreht sich, wie könnte es anders sein um Lucy Barton, die uns als Ich-Erzählerin durch das Hörbuch führt. Barbara Stoll verleiht ihr dabei eine sehr bedachte und angenehme Stimme, so dass man das Hörbuch ganz gut hören kann. Lucy Barton ist eine erfolgreiche Schriftstellerin. Sie hat zwei erwachsene Töchter, ist von dessen Vater geschieden und seit kurzem von ihrem zweiten Ehemann verwitwet. Mit dabei ist noch ihr Ex-Mann William, zu dem sie nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Mit dem Lockdown 2020 nimmt diese Freundschaft eine neue Dimension an, während William sie mit nach Maine nimmt, um der drohenden Pandemie in New York zu entfliehen. In Maine angekommen darf man als Hörer erfahren, wie sie die Tage am Meer verbringen und wie sie diese eintönigen Tage mit Gedanken füllt. Was ich sehr schön in der Ausgestaltung des Hörbuchs fand, waren die Übergänge der einzelnen Kapitel. Ein wenig Meeresrauschen füllte die kurzen Pausen und so wusste man direkt, dass ein neuer Abschnitt beginnt. Im Prinzip hört es sich fast so an, als wenn Lucy Barton tagebuchmäßig mich auf ihren Weg mit nimmt. Und so erlebe ich aus ihren Augen die Pandemie nochmal auf eine ganz andere Art und Weise. Gefühlt ist es schon wieder ewig her und die angespannte Zeit schon fast vergessen. Ich habe zum Glück nirgendwohin fliehen müssen und durfte die ganze Zeit weiter arbeiten. So kann ich die Isolation, in der William und Lucy sich befanden nur bedingt nachempfinden. Spannend fand ich ihre Berichte zur Arbeit an einer neuen Geschichte. Lucy Barton erzählt hier sehr genau, wie sie schreibt und die einzelnen Szenen aufbaut. Was mir hingegen nicht so gefiel, waren die ständigen Formulierungen um ihre Mutter oder besser gesagt um ihre liebevoll erdachte Mutter und ihre leibliche Mutter. Irgendwann konnte ich die Formulierung nicht mehr hören, denn mir war bei positiven Worten schon klar, dass es die ausgedachte Mutter war, da hätte man sich den Zusatz gut verkneifen können. Vielleicht hätte ich hier mit Vorwissen aus den ersten Büchern mehr Verständnis dafür gehabt. Aber so fand ich es einfach nur anstrengend. Nicht desto trotz hatte ich aber ein paar schöne Hörstunden, an denen Barbara Stoll als Sprecherin einen großen Anteil hatte. Hast du Lust auf einen Lockdown Roman, der in Maine spielt? Dann schnappe dir „Am Meer“ von Elizabeth Strout und tauche ein in die Geschichte von Lucy und William. Begleite sie auf ihren täglichen Spaziergängen, bei denen sie zweimal am Tag die 5000 Schritte bewusst absolvieren. Meist führt der Weg Richtung Meer. Wer sich mit Abstand noch mal mit der Zeit der Pandemie auseinandersetzen möchte, findet hier eine schöne Familiengeschichte, die zeigt wie sehr die einzelnen Familienmitglieder in dieser Zeit zusammen gewachsen sind. Gerne empfehle ich das Hörbuch weiter.

«Belanglos» war leider das erste Adjektiv, das mir während der ersten Hälfte von Elizabeth Strouts neuem Roman «Am Meer» einfiel. Worum geht’s? Lucy Barton, Autorin, weiss, Mitte 60, wird von ihrem ersten Mann, William, genötigt, mit ihm von New York nach Maine zu ziehen. Denn was für sie noch lange nicht greifbar ist, hat er längst erkannt: eine Pandemie ist im Anmarsch. Der Roman beginnt somit Anfang 2020 und endet im Frühjahr 2021. Wie ist es erzählt? Ich-Erzählerin Lucy, die Strout-Fans bereits aus zwei anderen Romanen kennen, lässt uns mehrheitlich an ihren Gedanken teilhaben, die beständig zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit wechseln und die vor allem um sich selbst und ihre Familie kreisen. Die wenigen, eher knappen Dialoge wirken auch aufgrund ihrer Wortwahl oft oberflächlich und wie Lucy zu ihrem Leben nahm auch ich eine Distanz zum Roman und seinen Figuren ein. Kurz nach der Hälfte hatte ich kurz den Eindruck, es würde interessanter, als sie nämlich auf die politische Situation in den USA zu sprechen kam, auf den tiefen Riss in der Gesellschaft zwischen Begünstigten und weit weniger Begünstigten, zwischen Trump-Anhängern und dem Rest. Sie kommt auch noch mehrfach darauf zu sprechen, aber auch diese kurzen Abschnitte wechseln sich rasch ab mit ihren übrigen Gedanken. Toll an ihrem Blick auf die Gesellschaft fand ich, wie bewusst sie Vorurteile abbaut. Ebenfalls gefallen haben mir die Erwähnungen von Olive Kitteridge, einer Hauptfigur aus Strouts früheren Werken, sowie die hoffnungsvolle Aussicht, dass wir später im Leben (wieder) eine freundschaftliche Beziehung zu Menschen führen können, die uns oder die wir einst verletzt haben – wenn wir denn möchten. Insgesamt haftete “Am Meer” für mich eine therapeutische Note an, als habe Strout/Lucy das Bedürfnis, das Gefühl der pandemiebedingten Entfremdung und Deplatzierung aus ihrem Leben schriftlich festzuhalten, um es nachvollziehen zu können. Alles in allem würde ich es nicht mehr als «belanglos» bezeichnen, aber ich kann auch nicht behaupten, dass mich «Am Meer» gepackt oder gar begeistert hätte. Von daher würde ich diesen Roman eher nicht empfehlen. Die Übersetzung stammt von Sabine Roth.