Readaholic

Nach einer Reise durch Portugal anfangs Sommer wurde mir dieses Buch zur Erinnerung geschenkt. Ich lese nicht so oft Krimis, aber diesen fand ich umwerfend. Schon der Anfang weckt das Interesse. Deutschland und Portugal sollen jeweils ihren besten Polizisten für einen einjährigen Austausch zur Verfügung stellen. Der Deutsche in seinem Anzug mit Krawatte passt überhaupt nicht in das südländische Ambiente. Seine ausserordentlichen Fähigkeiten helfen ihm, sich nach anfänglichem Belächeln unersetzbar zu machen. Das Buch ist voller komischer Situationen basierend auf Stereotypen und Missverständnissen. Die Protagonisten sind interessant und man schliesst sie mit Ecken und Kanten ins Herz. Aber auch die Landschaften und das Leben in Portugal werden wunderbar beschrieben. Ich habe soeben die nächsten Folgen bestellt.

Aufgrund der ersten 30 Seiten, die sehr esoterisch angehaucht sind, hätte ich das Buch nicht gekauft. Doch dann kommt man in der Realität an, die mir sehr gut gefallen hat. Ich mochte die Protagonisten mit ihren vielen Problemen, die etwas losen Zusammenhänge zwischen ihnen, und vor allem auch die Schreibart – einfach aber auch mit schönen Metaphern. Auch die Nebenfiguren fand ich sehr interessant, der Hausgenosse von Nils, oder der Obdachlose, der sich seinen Schlafplatz im Friedhof eingerichtet hat. Von den Geschwistern hat mir Nils am Besten gefallen. Ein Aussteiger, der gar nicht richtig eingestiegen ist. Ein Gutmensch für seine Tante und seine Schwester mit ihrer Tochter, aber auch noch mit einem leichten Kontakt zu seiner Schwester in San Francisco. Und dann liebte ich Charlotte, die allein die Kinder erziehen musste und trotzdem den Mut nie verlor. Die Offenbarungen über das Leben der Eltern erklären einiges. Die Zweitfamilie, Bee mit Fifi und die Verbindung zu Ea reichert die Geschichte an. Es gibt auch ein paar eher schräge Szenen und zwei, drei Momente, wo ich schlichtweg nicht verstand, was die Autorin sagen wollte. Der Buchdeckel verspricht eine Stellungnahme der Geschwister zueinander, was ich nicht nachvollziehen kann, aber jedes der Geschwister macht Schritte, um die eigenen Fragen des Lebens zu beantworten. Leider ist das Ende für mich zu abrupt. Ich hätte gerne noch ein paar Lösungen gelesen.

Die Geschichte spielt in der gewaltigen Natur von Schleswig-Holstein auf den Halligen, Inseln, die wie man lernt gar keine sind – im Jetzt aber auch im Damals vor über 200 Jahren. Die einzige Verbindung zwischen den beiden Geschichtssträngen ist eine alte, handgeschriebene Chronik, aber in beiden Zeiten gibt es ähnliche Schicksale und ähnliche Menschen, die ums Überlegen kämpfen, um Anerkennung und um die eigene Weiterentwicklung. Einige der Protagonisten sind knorrig aber für mich liebenswerte Sonderlinge. Der Schreibstil von Karla Jahn hat mir sehr gut gefallen. Er ist kurz und prägnant und die benutzten Metaphern machten alles sehr bildhaft. An gewissen Stellen wurde es allerdings auch fast zu viel, dort wo die Naturereignisse personifiziert und emotionsgeladen dargestellt werden. Nach dem Lesen hat man Lust, die Gegend zu bereisen.