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Paarios

  • 8. Juli 2022
  • Beitritt 22. Mai 2021
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  • Profil

  • 294 Punkte
  • Ich interessiere mich vor allem um Literatur aus Osteuropa und Drittländern sowie zur Zeitgeschichte der letzten 150 Jahre; daneben unterhaltsame Krimis.

  • Care-Migration: Leben auf verschiedenen Bühnen – pure Überforderung?

    Das Buch von Balzano greift ein aktuelles Thema auf, dass sich in Zukunft mit der Überalterung einiger europäischer Staaten noch akzentuieren könnte. Pflegende arbeiten als Care-Migrantinnen in Haushalten oft unter prekären Arbeitsbedingungen aufgrund der Vermischung von Arbeits- und Wohnort. Weniger beleuchtet wird die Tatsache, dass Care-Migrantinnen Kinder und betreuungsbedürftige Eltern in ihren Herkunftsländern zurücklassen.

    Der Autor reagiert mit dieser Erzählung auf diese Tatsache und beschreibt die Auswirkungen auf das Familiensystem von Daniela, die aus einem kleinen, rumänischen Dorf stammt und zum Arbeiten nach Italien zieht. Das Buch startet aus der Perspektive ihres Sohnes Manuel, der in die Phase zwischen Kindheit und Pubertät durchläuft. Im zweiten Teil erfährt man ihre Sicht, ergänzt im letzten Teil mit der Position ihrer Tochter Angelica. Die Sicht des Familienvaters Filip fehlt. Er hat sich bald nach der ersten Fahrt von Daniela nach Italien aus dem Familiensystem ausgeklickt.

    Aus allen drei Perspektiven dringt zwischendurch emotionale Leere und Schmerz durch. Sie leben in ihrer Welt, igeln sich ein und fällen ihre eigenen Entscheidungen, die Fassade wird von den Eltern auch mit Notlügen gewahrt. Die zusätzlichen materiellen Güter für Manuel und Angelica sind kein Ausgleich für die emotionalen Verluste. Daniela fühlt sich schuldig, unklar bleibt dennoch nach schwierigen Tagen und Nächten an Manuels Krankenbett, ob sich eine andere Möglichkeit ergibt, um finanziell über die Runden zu kommen.

    Balzanos Ton wirkt melancholisch, manchmal gar etwas distanziert. Seine Formulierungen sind schlicht, an manchen Stellen geschmückt mit stimmigen Methapern. Aufgrund der Unterteilung in drei Teile mit unterschiedlichen Perspektiven, verbleibt auch die Leserin, der Leser mit einigen Leerstellen, Gedanken und Fragen zu Details. Ein Grund, dass die Geschichte haften bleibt und zum Weiterdenken anregt.

  • Dieses Buch von Balzano hat mir insgesamt sehr gut gefallen, besonders die Erzählweise aus der Sicht von Manuel, Daniela und Angelica. Balzano schildert sehr einfühlsam. Ich konnte mir die Atmosphäre in Rumänien sehr gut vorstellen, diese Armut und Perspektivlosigkeit, ein Vater, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Sehr realistisch.

    Die Episode Danielas Arbeit mit Gianluca hingegen empfand ich zu Beginn weg absehbar – konstruiert.

    Das Ende des Buches ist Bolzano sehr gut gelungen– alles bleibt offen – wenn ein «Happyend» oft «einfacher» wäre. (Seite 302/303) Unter der Pergola, da schildert Bolzano so eindrücklich einen kurzenMoment des Glücks, dass Angelica empfand, dass sie nicht einfach Überlebende wären.

    Pupukea

  • Ich mag es, wie Balzano ab und zu Dialoge einbaut, die mich auf philosophische Lebensfragen weisen und mich dazu anregen, ein paar Momente nachzudenken.

    „Wenn ich mal alt bin, bin ich hoffentlich noch so selbstständig, dass ich mich zum Sterben einfach in eine Ecke verziehen kann wie die Spatzen“, sagte er [Matteo]. „Ich auch. Einfach auf den Boden legen, die Augen schliessen und die Namen meiner Kinder aufsagen.“ (Daniela)

    Ich wünsche mir auch, dass ich bis an mein Lebensende selbstständig bleiben kann. Aber dies ist leider oft nicht der Fall. Ich fürchte mich auch davor, von andern abhängig sein. Wenn ich auf Unterstützung angewiesen bin, möchte ich nicht grantig, zynisch oder gar böse gegenüber andern werden. Aber ich weiss nicht, wie ich dann reagieren werde, wenn ich am eigenen Leib erfahren muss, dass ich immer weniger Energie habe und mein Bewegungsradius immer kleiner wird.

  • Ein wundervolles Buch über das erwachsenwerden in den 80er Jahren. Intensiv ,berührend und authentisch, ich konnte es nicht mehr weglegen. Man fühlt mit Sam mit, man lacht mit Sam, man weint mit Sam und am Ende wünscht man sich nur eine Sache, das dieser Sommer nie vorbei geht. Genau so ging es mir mit diesem Buch.
    Grandios aber von Benedict Wells bin ich mir nichts anderes gewohnt. Dieses Buch hat das Zeug zum neuen Lieblingsbuch von mir zu werden.