Olga Grjasnowa legt mit Juli, August, September ein literarisches Werk vor, das sich zwischen intensiven Momenten und stellenweise erzählerischen Längen bewegt. Das Buch beschreibt die Lebensrealität einer Familie, die von Spannungen, Traumata und unausgesprochenen Konflikten geprägt ist. Die Sprache ist präzise und pointiert, manchmal aber auch so nüchtern, dass sie die emotionale Nähe zu den Figuren erschwert. Die Charaktere wirken vielschichtig und gut ausgearbeitet, doch bleibt es dem Leser oft überlassen, ihre Motive und Entscheidungen nachzuvollziehen, was den Zugang zur Geschichte etwas komplizierter macht. Besonders gelungen ist die atmosphärische Darstellung der sommerlichen Monate und die Art, wie Grjasnowa die innere Zerrissenheit ihrer Protagonisten in das Setting einbettet. Gleichzeitig fehlt der Erzählung an manchen Stellen der entscheidende Funken, um wirklich zu berühren oder Spannung durchgängig aufrechtzuerhalten. Das Buch ist gut geschrieben und hinterlässt durchaus Eindrücke, bleibt jedoch hinter seinen Möglichkeiten zurück. Für Leser:innen, die die feine Beobachtung von Zwischentönen in zwischenmenschlichen Beziehungen schätzen, ist es sicherlich empfehlenswert. Wer hingegen nach einer Geschichte sucht, die einen emotional vollkommen mitreisst, könnte hier etwas enttäuscht sein.