Andreas Liebert ist der Studienleiter der sogenannten “Schule des Schreibens”. In einem Interview gibt er Schreibtipps für Nachwuchsautoren, darunter der folgende: Überflüssige Adjektive weglassen und den Leser nicht langweilen. Langeweile entstehe, wenn man zu viel des Guten von sich gebe. Das hat mich überzeugt und ich wollte wissen, mit welchem Beispiel denn jemand, der eine Schreibschule gründet, selbst vorangeht.
Ich schlage das Buch auf und werde über das “grambeladene Schicksal” und über die “Verkündigung der frohen Botschaft aus dem Geiste der Musik” informiert. Oha. Weiter geht’s mit “fünf ovalen Tischen, an denen jeweils zwölf Gäste tafelten” und einer “Stärkung”, die nicht etwa zubereitet oder angerichtet, sondern - man halte sich fest! - “gereicht” wird. Bleischwer ist dieser Stil. Adjektive über Adjektive, Adverbien und überhaupt wortreiche Absätze in gekünsteltem Deutsch. Ob das Absicht oder Schwäche ist? Der Studienleiter befolgt jedenfalls seine eigenen guten Schreibtipps nicht. Schade.
Inhaltlich erinnert der Roman an Stephen Greenblatts grossartiges Buch “Die Wende”, das der promovierte Historiker Liebert bestimmt kennt. Geht es in der “Wende” um die Entdeckung von Lukrez’ De rerum naturae, so geht es bei Liebert um die Suche nach einer verlorenen Geige. Der wortreiche Stil legt sich wie eine Nebelschwade über die Handlung. Keine scharfen Charaktere gehen daraus hervor. Man denke an Dostojewski, der es fertigbringt, in einem kurzen Satz die ganze Psychologie einer Figur einzufangen. Auch in Ecos “Name der Rose” geht es um ein verlorenes Manuskript, doch steht diese Suche nicht für sich, sondern wird erst durch ein zeichentheoretisches Problem interessant: Die Figuren unterhalten sich über die Deutung der Zeichen im Laufe ihrer Spurensuche. Man erhält Einblick in ihre Denkprozesse. Stilistisch reicht Lieberts Buch leider an keinen dieser beiden Autoren heran. Es ist ein interessanter Gehversuch, der sich leider wie eine schwere Fussfessel anfühlt. Es werden Worte produziert, aber das allein ist noch kein Erzählen.