Daniela arbeitet als Pflegekraft bei dem unter Demenz leidenden Giovanni in Mailand. Dafür hat sie in Rumänien ihren Mann und Kinder allein gelassen. Vor allem dem achtjährigen Manuel fällt der Abschied von seiner Mutter schwer. Er hat plötzlich Probleme in der Schule und gerät in falsche Kreise. Dabei hat Daniela die Familie verlassen, damit es ihre Kinder einmal besser haben. Durch ihren Lohn sollen Angelica und Manuel ein sorgenfreies Leben haben und eine gute Ausbildung machen.
Marco Balzano arbeitet ein Thema auf, das auch im realen Leben an Brisanz einiges bietet. Frauen, die aus Osteuropa stammen und als Pflegekräfte überall in der westlichen Welt alte Menschen betreuen. Dies meist ohne festen Vertrag und damit ohne Krankenversicherung oder Erwerbsersatz. Harte Arbeit für einen Lohn, für die keine einheimische Pflegekraft gefunden werden könnte. Meist sind diese Frauen 6 Tage die Woche, Tag und Nacht für den Patienten verantwortlich und leben auch direkt mit ihm zusammen. Von Ausbeutung zu sprechen, liegt hier nahe. Dieser Aspekt nimmt einen großen Teil der Geschichte ein und hat mich schockiert. Vor allem, weil bekannt ist, dass viele osteuropäische Frauen genau so arbeiten. Zwar hat der Autor darauf verzichtet, detailliert die harte Arbeit zu schildern. Als Leser kann man sich jedoch zusammenreimen, wie belastend die Arbeit und vor allem die Isolation für die Frauen ist.
Weniger hat mir der Einstieg in die Geschichte gefallen. Dort steht Manuel im Mittelpunkt, mit dem ich meine liebe Mühe hatte. Denn Manuel ist verwöhnt, fordert unentwegt, gerät in falsche Kreise, experimentiert mit Drogen und will das Gymnasium abbrechen. Dies klischeehaft unter dem Deckmäntelchen „verlassenes Kind“. Es kommt, wie es kommen muss. Manuel geschieht etwas, was seine Mutter zurück nach Rumänien fahren lässt. Von da an begleitet sie ihr schlechtes Gewissen, ihre Kinder im Stich gelassen zu haben. Was ihr auch Tochter Angelica konstant unter die Nase reibt. Mir hat Daniela unendlich leidgetan. Da verlässt sie ihr gewohntes Leben, arbeitet unter fast unmenschlichen Bedingungen, setzt ihre Ehe aufs Spiel, um ihren Kindern ein Studium zu ermöglichen. Die Kinder jedoch honorieren dies überhaupt nicht, sondern verurteilen ihre Mutter und benehmen sich wie verzogene Gören.
Der Autor hat die Geschichte als Erzählung gestaltet, die direkte Rede wurde sehr rar eingesetzt. Dadurch wirkte die Geschichte auf mich emotionslos. Zwar spürt man zwischen den Zeilen, was eine Figur fühlt und wie es ihr geht. Ab und zu hätte ich mir jedoch eine tiefer gehende Regung oder einen emotional geführten Dialog gewünscht. Der Schreibstil ist einfach gehalten und ausdrucksstark. Das Buch ist in drei Teile gegliedert. In je einem Teil erfährt man die Sicht von Manuel, Daniela und Angelica, was die Geschichte einerseits vielseitig macht und andererseits zeigt, wie unterschiedlich die einzelnen Figuren mit dem großen Einschnitt im Familienleben umgehen.