Mit ‘Pferde stehlen’ in der Hand kann man wunderbar aus dem Alltag mitten in die Einsamkeit von Ostnorwegen abtauchen. Ohne Hast und mit viel Liebe zum Detail entführt uns Per Petterson in das Häuschen des 67-jährigen Trond Sander, der sich nach einer schwierigen Lebensphase in die Abgeschiedenheit der Natur begeben hat. Gesellschaft leistet ihm seine Mischlingshündin Lyra und gemeinsam gehen sie die täglich anfallenden Arbeiten an Haus und Hof an. Bereits zu Beginn der Geschichte zeichnet sich bei Trond eine innere Unruhe ab, die durch das Zusammentreffen mit seinem nächsten Nachbarn verstärkt wird. Dies veranlasst, dass wir mehr über den Sommer vor über fünzig Jahren, den er gemeinsam mit seinem Vater nahe der schwedischen Grenze verbracht hat, erfahren.
Es findet keine grosse Action statt, noch ein Liebesdrama mit Happy End. Viel schöner ist, dass man den älteren sowie jungen Trond bei zwei wichtigen Phasen seines Lebens begleiten darf und das so intensiv, dass man die letzte Seite enttäuscht umblättert und sich zurück auf seine Bank am See wünscht. Per Petterson versteht es sehr gut, den Leser in den Alltag seiner Hauptfigur einzubinden und beschreibt ausführlich selbst kleinste Handgriffe und Gedankengänge, eben als wäre man selbst Trond Sander in just diesem Moment. Und wenn Trond mit seinem Vater die Bäume hinter dem Sommerhaus schlägt und die Luft erfüllt ist vom Geruch des austretenden Harzes, glaubt man selbst inmitten von norwegischen Fichten und Kiefern zu stehen.
Das Buch würde ich all jenen empfehlen, die keinen grossen Spannungsbogen benötigen, um sich mit einem Buch wohlzufühlen. Dafür entschleunigt es den Leser und gibt auch hin und wieder kleine Denkanstösse über das Leben und sich selbst. Am besten gefällt mir, dass Per Petterson mit seinem Buch dem Wort Einsamkeit eine neue, auf eine gewisse Art warme Bedeutung gibt.