Franz von Werra war als Kampfflieger, der von seiner Gefangenschaft bei den Engländern entflohen ist, eine Identifikationsfigur der Nazi. Er war ein tollkühner Draufgänger und verkörperte genau die Tugenden, die das Regime in Berlin zur Verwirklichung seiner wahnsinnigen Pläne zur Eroberung von neuem Lebensraum der arischen Rasse brauchte. Dass dieser Franz von Werra aus dem alten Walliser Adelgeschlecht “von Werra” stammte, und nach dem durch ein Komplott verursachten Bankrott seines Vaters gemeinsam mit seiner Schwester zur Adoption frei gegeben wurde, beleuchtet Wilfried Meichtry in diesem minutiös recherchierten Buch facettenreich. Er hebt die Figur aufs Tablett, die wohl von Werras engste Bezugspeson war, seine Schwester Emma. Er beleuchtet die gemeinsamen Kinderjahre von Emma und Franz bei Louise und Oswald Carl-von Haber in einem sich langsam auflösenden Adelshaus. Emma wird dabei durch den übergriffigen Adoptivvater bedrängt, was in diesem katholischen Milieu natürlich nicht sein darf. Emma fühlt sich sündig, schuldig und lässt sich bussfertig von ihren Beichtvätern darin bestärken, fortan den “Versuchungen” zu entsagen. Sie verzichtet auf die Liebe. Wer vermutet solch ein tragisches Frauenschicksal hinter dem Kriegshelden und in Film und Presse auch nach Krieg heroisierten Helden Franz von Werra? Der Held starb 1941 bei einem Absturz vor Hollands Küste. Mit Filmen wie “Einer sprengte die Ketten” überdauerte sein Ruhm weit bis in die 90er-Jahre. Dass dabei, wie Millionen anderer junger Männer seiner Zeit, ein Leben erlosch durch den Wahn einer gedemütigten Nation, das so vieles noch vor sich hatte, wird dabei oft unterschlagen.