Ferdinand von Schirach versammelt einmal mehr unterschiedlich lange Erzählungen in einem Band. Als Ich-Erzähler begleiten wir ihn durch die verschiedenen Begegnungen und Erinnerungen, darunter auch den stillen Freund aus der titelgebenden Geschichte. Als dieser kluge Freund stirbt, fragt seine Tochter, ob von Schirach nicht ein Buch schreiben könnte, das all die Regeln für ein gelungenes Leben vereine, die ihr Vater in unzähligen Klassikern versammelt fand. Von Schirach lehnt ab, er sei nur Schriftsteller, er erzähle nur Geschichten. Und doch zieht sich das Thema der Regeln für ein gelungenes Leben durch alle hier vereinten Erzählungen. Zwangsläufig handeln viele davon nicht nur vom Leben, sondern auch vom Tod.
Von Schirach schreibt wieder einmal ruhig, präzise, beinah nüchtern. Er ist Beobachter, nicht Hauptfigur. Er stellt Werke und Menschen vor, die einer längst vergangenen Zeit angehören. Viele von ihnen adlig, was eine gediegene, mondäne Stimmung hervorruft. Manche Geschichten spielen in Berlin, andere in Bonn, wo er studierte, unzählige jedoch auch über die Welt verteilt, was ebenfalls zum weltgewandten Eindruck beiträgt.
Wie schon «Nachmittage» eignet sich auch «Der stille Freund» zum immer wieder darin Schmökern. Ob sich alle darin wiederfinden, vermag ich nicht zu sagen. Für mich war es eine kleine Auszeit vom Alltag, eine Erinnerung an das, was zählt.