Julia Armfields Gestalten der Tiefe erzählt die Geschichte von Leah, einer Meeresbiologin, die bei einer Forschungsreise mit einem U-Boot auf den Ozeanboden absinkt und für sechs Monate verschwindet. Als sie zurückkehrt, ist ihre Frau Miri zunächst überglücklich, merkt aber schnell, dass Leah sich verändert hat. Die Erzählung wechselt zwischen Leahs Tagebuchaufzeichnungen aus der Zeit des Tauchgangs und Miris Perspektive in der Gegenwart, die das neue, unheimliche Zusammenleben nach Leahs Rückkehr beschreibt. Während Leahs Kapitel durch die vertikalen Zonen des Ozeans führen und damit die rätselhafte Tiefe erfahrbar machen, zeigt Miri, wie sehr die Beziehung durch das Unerklärliche und die Verwandlung ihrer Partnerin belastet wird. Zugleich werden auch Erinnerungen an die gemeinsame Vergangenheit eingeflochten, wodurch die Figuren sehr plastisch und nahbar werden.
Mich hat das Buch in gewisser Weise zwiespältig zurückgelassen. Auf der einen Seite fand ich die Darstellung der Beziehung zwischen Miri und Leah sehr gelungen, feinfühlig und sprachlich gut umgesetzt. Man spürt ihre Nähe, ihre Rituale, ihre Verletzlichkeit, und gerade die Perspektive Miris macht den Schmerz und die Verunsicherung nachvollziehbar.
Auf der anderen Seite bleibt jedoch der zweite Handlungsstrang, das Abenteuer in der Tiefe, für mich zu vage. Zwar erfährt man Bruchstücke über Leahs Erlebnisse im U-Boot, aber letztlich wird nichts wirklich aufgeklärt: weder, was tatsächlich dort unten geschah, noch welche Rolle das Forschungszentrum dabei spielte. Dass diese Ebene so offen bleibt, hat mich enttäuscht, denn durch die Ausgangssituation verspricht die Geschichte ja eine Art Geheimnis oder Erklärung – doch am Ende weiß man nicht mehr als zu Beginn.
Dadurch entsteht das Gefühl, dass die Spannung zwar lange aufrechterhalten wird, aber ins Leere läuft. Für mich bleibt der Eindruck: ein sprachlich gutes und atmosphärisches Buch, das in der Beziehungsdarstellung überzeugt, mich aber wegen des unaufgelösten Tiefsee-Handlungsstrangs letztlich etwas unbefriedigt zurückgelassen hat.
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