Mieko Kawakami erzählt in Heaven von zwei Jugendlichen, die gemobbt werden – doch wer denkt, er lese hier eine typische Mobbing-Geschichte, irrt. Dieses Buch will nichts erklären oder versöhnen. Es zeigt, was passiert, wenn Gewalt zum Zufall wird, wenn Macht einfach ausgeübt wird, weil sie da ist.
Der namenlose Erzähler und das Mädchen Kojima teilen ein geheimes Verständnis, das auf einer stillen, fast metaphysischen Ebene liegt. Für Kojima ist das Mobbing etwas, das sie annimmt – nicht aus Schwäche, sondern aus Würde. Für sie hat alles einen Sinn. Sie glaubt, Stärke entstehe daraus, das Leid zu tragen und darin Bedeutung zu finden. Ihr Denken ist fast religiös, getragen von der Idee, dass Schmerz eine Form von Erkenntnis sein kann.
Der Erzähler dagegen sucht nach einer logischen Erklärung und stößt auf die grausamste Wahrheit: Es gibt keinen Sinn. Einer der Peiniger sagt ihm, es sei bloßer Zufall gewesen, dass man ihn ausgewählt habe. Kein Grund, kein Urteil, nur Lust an der Macht. Genau darin liegt die Kälte dieses Romans – und seine philosophische Wucht. Kawakami führt zwei Weltanschauungen aufeinander: die der Opfer, die Sinn im Leiden suchen, und die der Täter, die in der Sinnlosigkeit ihre Freiheit finden.
Diese Begegnung lässt das Buch weit über das Thema Mobbing hinauswachsen. Heaven wird zur Studie über Macht, Moral und das Menschsein selbst. Kawakami schreibt mit einer nüchternen, präzisen Sprache, die Schmerz nicht beschreibt, sondern spürbar macht. Gerade diese Sachlichkeit gibt dem Text seine Kraft – auch wenn ich mir stellenweise eine etwas literarischere, bildhaftere Sprache gewünscht hätte
Heaven ist kein Jugendbuch, kein Sozialdrama, sondern eine philosophische Zumutung – klar, hart und verstörend.
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