Nachdem ich Ruth-Maria Thomas’ Debütroman in letzter Zeit mehrfach verkauft habe, wurde ich neugierig. Also, Buch geschnappt und losgelesen.
Ich-Erzählerin Jella, Anfang 20, Mathematikstudentin, berichtet von einem Moment, in dem ihre Welt aus dem Gleichgewicht gerät – und wie es dazu kam. Es ist eine Geschichte von Erwartungen, vermeintlichen und tatsächlichen. Erwartungen, die wir mit unserem Bild von Männern/Frauen verknüpfen, und Erwartungen, die wir von romantischen Beziehungen haben. Jella schaut zurück auf ihre Kindheit, ihre Jugend, wie sich Freundschaften zusammen mit dem Hormonhaushalt veränderten, wie sich Interessenschwerpunkte verlagerten, wie sie begann, ihre Rolle als unverzichtbare Frau im Leben eines Mannes zu formen – und was es sie kostete.
Thomas’ Umgang mit Sprache hat mich schon auf den ersten Seiten beeindruckt. Wie sie Jellas Emotionen verdeutlicht, mit Bildern, Satzfragmenten oder poetischen Umbrüchen, fand ich enorm stark. Jella ist schonungslos ehrlich mit sich und uns, explizite Sprache inbegriffen. Ihr Bericht liest sich wie eine Therapiesitzung, als wenn sie sich alles von der Seele redet. Da sie mehrere schwierige Erfahrungen gemacht hat, ist die Stimmung vielfach schwermütig, bedrückend, verzweifelt. Was mir daran etwas fehlte, waren positive Gegenentwürfe: Nicht alle Beziehungen sind schlecht, nicht alle Vorbilder/Wunschvorstellungen werden zwangsläufig toxisch.
Mich hätte zudem noch die Perspektive ihres Freundes gereizt. Wie hat er die Beziehung wahrgenommen? Welche Gedanken, Wünsche etc. hat er verborgen, um liebenswert zu erscheinen? Inwiefern hat sein Selbstbild vom «Mann-Sein» die Entscheidungen in seinem Leben geprägt?
Was nehmen wir daraus mit? Viel zum Nachdenken über uns selbst, die verschiedenen Beziehungen in unseren Leben und wie wir sie führen wollen.
Für Fans von Franziska Schutzbach, Mareike Fallwickl, Emilia Roig, Julia Schoch und Katja Kullmann.