Ein sehr gelungener 2.Teil. Leser nehmen wieder Teil am Leben der knapp 30jährigen Akiko im modernen, leistungsorientierten Japan bzw. Tokio. Man schlendert mit ihr durch die Stadtviertel, setzt sich neben/mit ihr in die Züge, bummelt nachts durch die Strassen und lernt dabei viel über Sake, Essen - nicht nur Sushi! - und die Gepflogenheiten des Landes. Das Buchpersonal (Akiko, ihre Freundin Naoko, Freund Kento) wird diesmal ergänzt durch Naokos bislang unbekannten Vater, Grossvater und dessen Lehrling. Eine Zeit der Annäherung, Missverständnisse, begrabener Träume, Enttäuschung, aber auch des Ankommens.
War Akiko im ersten Teil noch die fleissige, pflichtbewusste, naive Tochter, die sich an ihre Mutter orientierte und mit dieser eine Einheit bildete, sind es hier die Gefühle, die eine wichtige Rolle spielen. So erfährt Akiko auch, dass die Mutter zwar immer von Paris geträumt hat, aber offensichtlich spürte, dass die Verwirklichung dieses Traums, die Reise dahin, sie enttäuscht hätte. Dasselbe scheint auch die Entfremdung zu ihrem Vater, der gegen eine Enttäuschung in der Beziehung (zu seiner kleinen Familie) nicht gefeit war und stattdessen diese verliess. Ihm ganz ähnlich auch Kento, Akikos einzelgängerischer Freund; dieser versteht die Beweggründe von Akikos Vater sogar! Dennoch nähern sich Vater und Tochter, ohne vieler Worte, im Laufe des Buchs aneinander an - auch dank des Schlaganfalls des Grossvaters!
Der Autor nimmt uns mit in die Schönheit Japans, seiner Menschen, seiner Kultur, seiner Natur: neu, unbekannt, reizvoll. Obwohl aus der Ich-Perspektive geschrieben seiner weiblichen Protagonistin Akiko, hat man nur eine Nano-Sekunde lang das Gefühl, da schimmert doch der Mann als Autor durch - aber gelungen.
Der “Friedhof der Gefühle” ist im Buch real, verwirrt Akiko zunächst, überrascht sie dann, lässt sie darüber nachdenken. Grabsteine im Wald, die mit “Trauer”, “Freude”, “Glück” usw. benannt sind , ist eine Art Allegorie auf begrabene/vergessene/schmerzhafte Gefühle. Aber klar, es passt, weil ja Akikos Vater ein (bildender) Künstler ist, der Keramiken macht - die Botschaft, der Grundgedanke kommt an. Der Versuch, sich den “verlorenen” Gefühlen zu stellen, sich davon zu lösen und neue Hoffnung zu schöpfen. Ein weises, gut durchdachtes Buch, das Lust auf den 3.Band macht.
Die gereifte Akiko hängt nicht mehr Träumen nach, sondern - wenn überhaupt - realisiert sie, stellt sich ihnen. Sie hat keine Gewissensbisse (wegen Kündigung), ist zufrieden(er), aber dennoch nicht ganz geheilt vom Stachel der Enttäuschung, dass ihre Mutter ihr jahrelang ihr ihren richtigen Vater vorenthalten hat. Sie versteht mittlerweile das Zusammenspiel Einsamkeit-Gefühle-Familie besser. Sie kann sogar der Mutter verzeihen, dass sie in diesem “Mietvater” eine Art Heimathafen, die starke Schulter, Sicherheit fand, die ihre Einsamkeit in der Kindheit erträglicher machte.