Heutzutage wird man schnell schräg angeschaut oder kritisiert, wenn man seinem Kind Grenzen setzen möchte. Gleichzeitig wird man verurteilt, wenn das Kind im Restaurant laut wird oder im Laden einen Wutanfall bekommt. Dann heisst es oft: «Typisch diese modernen Eltern, die ihre Kinder nicht im Griff haben …»
Wo also liegt das richtige Mass zwischen «zu streng» und «zu locker»?
Nora Imlau schafft es in «Meine Grenze, dein Halt» auf einfühlsame und klare Weise zu zeigen, dass die «goldene Mitte» nicht leicht zu bestimmen ist. Sie hängt von vielen inneren und äusseren Faktoren ab - von den Eltern, den Kindern und den jeweiligen Lebensumständen.
Für mich, die selbst in einem sehr leistungsorientierten und von klaren Grenzen geprägten Elternhaus aufgewachsen ist, fällt es oft schwer, meinem Sohn Grenzen zu setzen. Häufig neige ich dazu, meine eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen und nachzugeben, obwohl meine persönliche Grenze längst überschritten wurde. Dieses Buch hat mir geholfen, diese Dynamik besser zu verstehen und Wege zu finden, mit mehr Selbstfürsorge und Klarheit zu handeln.
Nora Imlau erinnert daran, dass Grenzen nicht das Ende einer liebevollen Beziehung bedeuten, sondern im Gegenteil ihre Grundlage sind. Eine gute Grenze ist klar, fair und entwicklungsgerecht.
Besonders beeindruckt hat mich ihr Gedanke, dass ein Nein etwas Kostbares ist – ein Wort, das nur dann zum Einsatz kommen sollte, wenn kein Diskussionsspielraum besteht. Wird es mit innerer Klarheit ausgesprochen, spüren Kinder: Hier ist wirklich Schluss. Dieses Nein vermittelt Sicherheit und Halt, nicht Angst.
Sie macht deutlich, dass auch Eltern das Recht haben, ihre eigenen Grenzen zu wahren, und dass man dadurch das Kind nicht zurückweist, sondern ihm zeigt, dass die Bedürfnisse der Eltern ebenso wichtig sind und man als Erwachsener ebenfalls nur ein Mensch ist.
Eine Grenze zu setzen bedeutet immer, Bedürfnisse und Ressourcen abzuwägen. Es wird in der Erziehung immer schwierige Momente geben, in denen der richtige Weg nicht klar ersichtlich ist und man sich fragt, ob man richtig entschieden hat. Doch die Hauptbotschaft von Nora ist: Wenn man Grenzen liebevoll, zugewandt und mit innerer Klarheit setzt und das Kind dabei in seinen Gefühlen begleitet, dann wächst daraus Vertrauen – und echte Verbundenheit.
Nora zeigt, dass wir keine Strafen oder Drohungen brauchen, wenn wir in unsere natürliche Autorität vertrauen. Unser Wort hat Gewicht, weil wir in Beziehung miteinander stehen – weil wir uns gegenseitig respektieren und vertrauen. Strafen hingegen lehren Kinder nicht, dass Regeln wichtig sind, sondern nur, dass man nicht erwischt werden darf.
Wichtig ist, dass unsere Kinder spüren: Unsere Grenze ist ihr Halt. Sie ist ein sicherer Raum, in dem sie lernen dürfen, moralisch zu handeln – nicht aus Angst, sondern weil es richtig ist.
Noras hilfreiche und sanfte Worte machen Mut, Grenzen liebevoll und respektvoll zu setzen. Sie erinnert uns daran, dass Kinder keine Gegner sind, sondern von Natur aus mit uns kooperieren möchten. Wenn wir ihnen Empathie, Verständnis und echte Wertschätzung entgegenbringen, wächst die Bereitschaft zur Zusammenarbeit von ganz allein.
Dieses Buch hat mir gezeigt, dass ich wissen darf, was ich will, und dass ich das mit Ruhe und Klarheit vertreten darf. Kinder spüren, ob wir innerlich sicher und echt sind – und genau daraus entsteht Vertrauen und gegenseitiger Respekt.
Ein wertvolles, ehrliches und bestärkendes Buch, das mich tief berührt hat. Eine klare 5-Sterne-Empfehlung für alle Eltern, die zwischen Nähe und Abgrenzung ihren eigenen Weg suchen.