Tijan Sila beschreibt in seinem Buch “Radio Sarajevo” ausschliesslich wahre, selbst erlebte Geschehnisse. Die beiden genannten Freunde stehen dabei für eine ganze etwa 20köpfige Freundesschar.
Tijan ist etwa zehnjährig, als die Granate in Sarjevo einschlägt. Seine Familie lebt in einem Plattenbau. Die Eltern beide Akademiker, insofern unterscheiden sie sich von den anderen Bewohnern des Blocks und der Siedlung.
Mit dieser ersten Granate fängt für ihn ein Leben an, das ganz anders ist als jenes zuvor und nie wieder wird, wie es war. Vorbei die unbeschwerten Zeiten mit dem Spiel mit Freunden. Die Versorgung mit Nahrung wird knapp, sie haben Hunger. Frisches Wasser ist nicht mehr selbstverständlich. Der Schulbetrieb wird eingestellt. Explosionen sind allgegenwärtig. Die Kinder müssen drinnen bleiben oder treiben sich draussen herum, auf der Suche nach Essbaren oder der Möglichkeit, irgend ein “Geschäft” zu machen. Sie sehen erste Leichen, werden Zeugen von Brutalität und auch Kumpels gehen roh um miteinander. Der Kriegt zeigt seine dreckige Visage - und Menschen damit.
Tijan Sila erzählt seine Geschichte vom Beginn des Krieges bis und mit der Flucht und der allerersten Zeit in Deutschland. Sein Erzählstil nimmt einen mit in seine Erlebnisse, wühlt auf. Übertreibungen oder dramatisierende Sprachelemente verwendet er keine. Es stimmt deswegen nicht weniger nachdenklich. Kein Kind sollte so etwas erleben und mit ins Aufwachsen tragen. Es ist noch nicht lange her. Sila schreibt, dass er mit diesem Buch dem Vergessen etwas entgegensetzen will. Ein ausgesprochen wichtiger Punkt. Ein unbedingt empfehlenswertes Buch .- um nicht zu vergessen und um sich eine Vorstellung davon zu machen, wie furchtbar es ist, als Kind in einem Krieg leben zu müssen. Auch wenn die Eltern am Leben bleiben, man an Körper unverletzt bleibt und nicht verhungert.
Erst als nicht mehr geschossen wurde, trauten sich meine Gedanken aus ihren Löchern, schreiend, um sich beissend, und dann weinte ich.
So war es in den ersten zwei oder drei Monaten des Kriegs, bis die Gewöhnung einsetzte und ich aufhörte zu weinen - und zwar fast für die nächsten fünfzehn Jahre.