Dora, eine in Berlin lebende Marketingspezialistin zieht sich Hals über Kopf aus der indoktrinierten Beziehung mit Robert aus Berlin zurück und kauft ein Gutsherrenhaus in Bracken. Als “Grossstadttante” apostrophiert, lernt sie, dass nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht: Die Welt ist nicht schwarz-weiss, aber «wo man steht, ist zum politischen Statement geworden. »
Ihr neuer Nachbar, der sich als der Dorfnazi vorstellt, jagt ihr ursprünglich Angst und Schrecken ein, steht ihr aber bald hilfreich zur Seite. Langsam befreit sie sich von den Zwängen ihrer Liaison, ihres Berufes und den finanziellen Nöten.
Die Frage, die sich dem Leser stellt: Gelingt es Dora, “am Dorfrand lebend”, sich von der herrschenden Meinungsdiktatur (Rassismus/Politik/Klima, selbst Corona) zu befreien, und zu einer "friedlichen Koexistenz der Meinungsvielfalt beizutragen?
Der Weg ist lang. Mit der Aussaat der Frühkartoffeln ist der erste Schritt getan. Nun braucht es nur noch einen grünen Daumen: ist das ein verbessertes Verhältnis zu ihrem Vater, eine Vertiefung ihres beruflichen Engagements, das dank der Pandemie im Homeoffice weitergeführt werden kann, eine gelungene Integration in eine andere Kultur oder sogar das friedliche Zusammenleben mit völlig anderen Ansichten?
Juli Zeh gelingt es, aktuelle Themen mit einer Protagonistin zu verbinden, die glaubwürdig wirkt, eine oft anstrengende und auch schmerzhafte Entwicklung durchmacht und am Schluss bereit ist, die Konsequenzen aus ihrem anfänglichen Entschluss zu ziehen. Das Buch hat Zug, überzeugt vor allem stilistisch und ist voller Überraschungen. Ein gelungener Wurf nach dem grossartigen “Unter Leuten”.