Dora, 36 Jahre alt und Werbetexterin, verlässt mitten in der Coronakrise ihren Freund Robert und zieht von Berlin nach Bracken. In diesem typisch ostdeutschen Dorf hat sie ein Haus mit 4000 m2 Garten gekauft, den sie nun bepflanzen will. Dora gerät ungewollt an Nachbarn, die Alltagsrassismus pflegen. Sie muss sich zwar nicht darüber klar werden, was sie darüber denkt, jedoch darüber, wie sie ihre Ansichten verteidigt und äussert. Mehr und mehr wird sie in die Dorfgemeinschaft hereingezogen und lernt Gote, den Nachbarn, näher kennen.
Das zentrale Thema der letzten 15 Monate, die Coronakrise, wird von der Autorin auf eine sachliche, manchmal sarkastische, aber immer authentische Art in die Geschichte rund um Dora verstrickt.
Ein grosses Gewicht bekommt der Klimaschutz. In Form der Figur Robert, der Exfreund von Dora, der ein Klimaaktivist der ersten Stunde ist, webt die Autorin die Klimaerwärmung, sowie die Rettung der Erde hervorragend in die Geschichte ein. Und das ohne zu werten, da sie die verschiedensten Fragen dazu aufwirft und man sich darüber seine eigenen Gedanken machen kann.
Ein weiteres grosses Thema ist Rassismus. Hier in der Gestalt von Doras Nachbarn. Ich musste ein paar mal schlucken, denn teilweise waren die Sprüche, die sie bringen, hart an der Grenze des Erträglichen. Erschreckt hat mich der offen gelebte Rassismus einiger Dorfbewohner. Darf man in einer Geschichte eine Figur so offen Rassismus zelebrieren lassen? Man darf, wenn man ein Gegengewicht schafft. Hier wäre das der Figur Dora zugefallen, doch die verfällt lieber in eine Rassismusstarre, statt Paroli zu bieten. Ich gestehe, ich war schockiert über den offen gelebten Rassismus und noch schockierter über Dora, die unter dem Deckmantel Nachbarschaft in Schockstarre verfällt, statt dagegen vorzugehen und klar ihre Meinung zu sagen. Dadurch verharmlost sich die ganze Thematik, etwas wofür ich absolut kein Verständnis habe. Weder in Büchern, noch im realen Leben.
Wenn Dora zu Beginn glaubt, dass in Bracken alles Friede, Freude, Eierkuchen und heile Welt ist, täuscht sie sich. Rechtsradikale, Kindesvernachlässigung, Rassismus und keine Saatkartoffeln zu kaufen, sind einige der Dinge, mit denen sie sich herumschlagen muss. Und genau hier liegt mein grösster Kritikpunkt. Irgendwie hat es Juli Zeh immer wieder geschafft, das Dorfleben mitsamt dem Dorf-Nazi ( O -Ton) als harmlose Sache darzustellen. Hier hätte ich mir eine schärfere Abgrenzung gewünscht.
Man erlebt die Szenen und Passagen mit viel Symbolik, die nachdenklich machen und oft erst beim zweiten Lesen eines Satzes ankommen. Sehr tiefsinnig ist der Schreibstil und die Autorin pflegt eine gehobene, präzise und bildreiche Sprache.
Bracken ist ein Ort, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und eine Brutstätte von einer Gesinnung Mensch, die ich zutiefst verabscheue. Diese Geschichte hat in mir sehr viel aufgewühlt und das nicht nur beim Thema Rassismus. Auch die ganze Covid19 Thematik habe ich noch mal durchlebt.