Das Buch beginnt mit einem Brief an einen Verleger, offensichtlich wartet der Verfasser auf seine Hinrichtung. Zuerst aber lernen wir den Protagonisten als Heranwachsenden kennen, wo er in einer Gemeinschaft mit einem gleichgültigen Vater, dessen diabolischer Mutter, die ihre Schwiegertocher permanent beleidigt und erniedrigt, lebt. Kein Wunder, dass er Gerechtigkeit üben will. In einem minutiös aufbereiteten Verfahren verurteilt er die Grossmutter zum Tode. Die treibt ihr Unwesen weiter, der Enkel wächst zum fanatischen Juristen heran. Er ist ein brillanter Kopf, und was ihn treibt, ist die gerechte Strafe für den Täter, die auch die Schuld dem Opfer gegenüber sühnt, zu suchen. Dazu macht er sich an sein Lebenswerk, ein Strafgesetz, das Unrecht aufwiegt, Schaden berücksichtigt. Sonst ist dieser Mann ein kühl berechnender und wenig mitfühlender Zeitgenosse, der in seinem Leben alle im ihn herum aussaugt, um seine Triebe zu befriedigen. Statt mit seinem brillanten Kopf sein profundes Juristenwissen an der Uni Freiburg weiter zu entwickeln, macht er sich trotz Stipendium auf, sein Steckenpferd opfergerechte Rechtsprechung in einer Art Feldforschung weiter zu entwickeln. Und bei all seinen Umwegen, der Weg zum aus Gerechtigkeitssinn richtenden Vollstrecker stellt sich als unausweichlich heraus. Friedrich Dürrenmatt hat schon in “Die Panne” die Diskrepanz zwischen Gerechtigkeit und Rechtsprechung thematisiert, und Simon Urban bearbeitet dieses Feld in diesem Roman ähnlich doppelbödig. Seine Figur, dieser richtende Nerd Hartmann hat mich an Jonas Lüschers “Kraft” erinnert. Furios und souverän in der Sprache, verzeiht man dem Autor den langatmigen Mittelteil, weil das Buch gegen Schluss so konsequent einen Sog entwickelt, dass man es nicht weglegen kann.