Laetitia Colombanis zweiter Roman „Das Haus der Frauen“ hebt sich durch flüssige Erzählweise und die Würdigung eines bemerkenswerten Kapitels in der Geschichte der solidarischen Frauenbewegung hervor. Das Buch beleuchtet das Leben von Blanche Peyron, die 1926 im Namen der Heilsarmee eines der ersten Frauenhäuser in Europa gründete. Ihr unermüdlicher Einsatz wird in dieser Erzählung glorreich eingefangen.
Der Roman kombiniert historische Fakten mit fiktionalen Elementen und ist, wie Colombani selbst angibt, das erste und einzige Buch, das Peyrons Geschichte erzählt. Die Relevanz ihres Lebenswerks ist unübersehbar, und die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, bis ihre Geschichte erzählt wurde, ist beinahe tragisch.
Im Zentrum der Erzählung steht die Protagonistin Solène, eine angepasste Juristin, die nach einer Erschöpfungsdepression ihr Leben und ihre Daseinsberechtigung infrage stellt. Ihre Entscheidung, als öffentliche Schreiberin im Frauenhaus zu arbeiten, markiert die Wende in ihrem Leben. Auf den ersten Blick scheinen Solène und Blanche unterschiedliche Welten zu repräsentieren: Die eine ist konformistisch und überangepasst, während die andere eine mutige Kämpferin für die Solidarität mit Randständigen und Rechte der Frauen ist. Doch während Solènes Suche nach Sinn und ihrer Motivation, anderen zu helfen, entwickelt sich eine interessante Parallele zwischen den beiden Frauen.
Colombani gelingt es, die emotionalen Höhen und Tiefen von Solènes Ehrenamt zu schildern. Auch wenn einige Passagen etwas pathetisch wirken, berühren sie. Der Roman thematisiert, dass das Helfen nicht nur eine Möglichkeit ist, anderen Menschen in Not beizustehen, sondern auch den eigenen Bedürfnissen nach Zugehörigkeit und Gemeinschaft Rechnung trägt. Diese Erkenntnis, dass altruistisches Handeln den Helfenden einen Sinn und Daseinsberechtigung gibt, wird von Colombani nicht verurteilt, sondern als Tatsache dargestellt die, wenn sie authentisch gelebt wird, einen Kontakt auf Augenhöhe erlaubt.
Insgesamt ist „Das Haus der Frauen“ eine Hommage an die Stärke und den Einfluss von Frauen wie Blanche Peyron und zugleich eine Reise der Selbstfindung für die Protagonistin Solène. Colombani lädt ein, über das eigene Handeln nachzudenken und die menschliche Verbindung zu schätzen.
Ihr (Solène) kommt ein Satz von Yvan Audouard in den Sinn, der auf einer Mauer in der Nähe des Palastes geschrieben steht: Glücklich sind die mit den Rissen im Leben, denn sie lassen das Licht herein. Und das Licht ist hell an diesem Abend.