Aviv, als Waise bei seiner liebevollen Ziehmutter Selma aufgewachsen, trifft auf Kaminski, den seelenlosen Arzt. Kaminskis Not – er leidet unter seiner Kälte und Seelenlosigkeit – geht über in den Wahn, sich aus den Seelen-Essenzen von Verstorbenen eine eigene Seele destillieren zu können, um endlich auch Fühlen zu können. Dafür geht er über Leichen – und die ganze Stadt versinkt in Kälte und Grau. Mordend fängt Kaminski den Seelenhauch der Sterbenden ein und füllt sie in Flaschen, die Aviv als Glasbläser gefertigt hat. Aviv – der Beseelte – kommt ihm auf die Schliche, ist aber machtlos gegen diese Eiseskälte, und es gelingt ihm nicht, die in Glasfläschchen eingesperrten Seelenkondensate zu befreien. Doch er muss es schaffen – trotz aller Gefahren – und die Gefangenen Seelen selbst kommen ihm zu Hilfe.
Die zeitlose Phantasiegeschichte ist fliessend, blumig, bildreich und warmherzig erzählt. Begegnungen mit dem Obdachlosen Filip und dem verkommenen Jugendlichen Isaac markieren wichtige Wendepunkte, da wird es zuweilen auch philosophisch. Der Roman lädt dazu ein, seine eigenen Lebensmaximen zu überdenken, nicht abstrakt den Sinn des Lebens finden zu wollen, sondern im eigenen Leben Sinn zu leben.
«Vielleicht gibt es nicht ´den Sinn des Lebens´, mein Junge. Doch selbst wenn nicht, gibt es dennoch viel ´Sinn im Leben´, und das ist doch das, was uns trägt.» (153)
«Sie liessen ihn los und tragen hinaus in eine schreiende Stille. Weder Selma noch Aviv gelang es, diese Stille zum Schweigen zu bringen» (164)