Joyce Carol Oates gelingt es mit Der Schlächter, ein verstörendes, aber zugleich eindringliches Porträt menschlicher Grausamkeit zu zeichnen. Das Buch ist nichts für zarte Gemüter – es ist brutal, schonungslos und erschütternd ehrlich. Oates erzählt die Geschichte der “Gynäkopsychiatrie” auf eine Weise, die unter die Haut geht und lange nachwirkt. Sie thematisiert die systematische Gewalt, die Frauen im Namen der Wissenschaft und Fortschrittsgläubigkeit im 19. Jahrhundert angetan wurde, als man begann die “Hysterie” der Frauen zu erforschen.
Die Autorin schafft es, historische Fakten und literarische Fiktion zu verweben. Ihre Sprache ist präzise, manchmal kühl, aber sehr eindringlich. Die Grausamkeiten, die geschildert werden, dienen nicht dem Schockeffekt, sondern machen die unmenschliche Logik hinter dem wissenschaftlichen Denken der damaligen Zeit sichtbar.
Oates bearbeitet das Thema der Misogynie, bis ins kleinste Detail, welches heute noch erschreckend aktuell sind.
Kritikpunkte sind für mich, dass die Sicht der Männer in ¾ des Buches beschreiben wird und die Innensicht der Frauen nur einen geringeren Teil ausmacht. Dies entspricht zwar wieder dem patriarchalen System indem Frauen weniger gehört werden, als Männer und dennoch hätte ich mir hier gewünscht sie hätte jeder einzelnen Frau, die den Grausamkeiten des Schlächtesrs ausgeliefert ist, eine Stimme gegeben.
Das Buch hat mich sehr gefordert aber es belohnt auch – mit tiefen Einsichten und einer verstörenden, aber notwendigen Erinnerung. Wer sich auf die Härte des Themas einlässt, wird ein intensives Leseerlebnis erfahren.