Thommie Bayers neuer Roman Einer fehlt hat meine Erwartungen erfüllt, und mich mitten ins Herz getroffen. Mit wenigen, präzisen Worten greift Bayer die grossen Themen des Lebens auf: Freundschaft und Sterblichkeit. Schon ab der ersten Seite fiebert man mit den Protagonisten Paul und Schubert mit und hofft auf ein gutes Ende.
Die beiden Freunde werden von Elin, der Tochter ihres langjährigen Weggefährten Georg, über den Tod ihrer Mutter und das Verschwinden des Vaters informiert. Kurzerhand brechen sie zu einem Roadtrip nach Wien auf, um Georg zu suchen. Die Reise wird länger und emotional intensiver als erwartet. Während der Fahrt fügen sich immer wieder Rückblenden in die Handlung ein, die erzählen, wie sich das Trio vor über 30 Jahren kennengelernt hat. Diese Rückblenden waren für mich stellenweise etwas abrupt, und das ständige Wechseln zwischen den Zeitebenen hat meinen Lesefluss manchmal gestört.
Besonders eindrücklich ist, wie tief man in die Innenwelt von Paul und Schubert eintauchen kann. Georg dagegen bleibt seltsam diffus, selbst am Ende des Romans bleibt offen, wie es ihm wirklich geht. Auch hätte ich gerne erfahren, ob er die Spannungen zwischen seiner Frau Malin und seinen beiden Freunden über die Jahre hinweg bemerkt hat, oder ob sie für ihn immer unter der Oberfläche geblieben sind.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte war Einer fehlt für mich ein sehr bereicherndes Leseerlebnis. Ich schätze an Thommie Bayer besonders, dass er immer wieder Sätze formuliert, die innehalten lassen. Gedankenanstösse, die nachwirken. Ein Zitat hat mich dabei besonders beschäftigt:
Logik ist das Einzige, was uns über die Grenzen unserer Erfahrung rausschauen lässt. Und der Tod ist die definitive Grenze. Wenn ich irgendwo Logik brauche, dann da.
Ein Buch für alle, die eine ruhige, tiefgründige Lektüre schätzen. Sprachlich leicht zugänglich, aber inhaltlich reich. Man sollte sich dafür Zeit nehmen und es nicht in einem Zug verschlingen. Denn die eigentlichen Schätze entdeckt man beim genauen Hinschauen und langsamen Lesen.