Alle sprechen über ihn. Ihre Gedanken kreisen um ihn. Er ist die Hauptfigur – und doch der, der nicht selbst zu Wort kommt. Und was heißt eigentlich: „Wir kennen jemanden“?
Dieser Roman, der das Thema Einsamkeit auf spannende Weise behandelt, lässt einen am Ende ratlos, beunruhigt, bewegt – und auch ein wenig beschämt – zurück.
Denn wir lernen die Hauptfigur ausschließlich durch die Erzählungen anderer kennen und werden so selbst zu stillen Beobachterinnen, zu Voyeurinnen. Es bleibt ein ungutes Gefühl und die Frage: „Warum haben wir Jo nicht einfach angesprochen?“
Haben wir ihn wirklich kennengelernt?
Der rasche Wechsel zwischen vielen verschiedenen Perspektiven macht das Buch zwar spannend, aber auch anspruchsvoll. Es ist nicht leicht, den Überblick über all die Personen zu behalten. Leider wird das interessante Konzept nicht ganz konsequent umgesetzt. Vieles bleibt angedeutet – und dadurch unklar. Die einzelnen Erzähler*innen hätte man stärker individualisieren können, etwa durch unterschiedliche Tonlagen oder sprachliche Eigenheiten. So bleiben letztlich fast alle Figuren, nicht nur Jo, eher blass und schwer greifbar. Ich hätte jede einzelne gern noch besser kennengelernt.
Vielleicht war genau das die Absicht der Autorin. Denn so bleiben am Ende alle – auch wir Leser*innen – auf eine gewisse Weise einsam. Und obwohl alles miteinander verwoben scheint, wird eines deutlich: Wenn wir nicht miteinander sprechen, uns nicht zuhören, zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind und über andere reden, statt über uns selbst – dann bleibt das Leben blass und einsam.
Und wir bleiben ratlos, bewegt und beunruhigt zurück. 😉
Ein Buch, das auf jeden Fall zum Nachdenken anregt – und einen noch eine Weile begleitet.