Sarah Höflich, bisher vor allem als Drehbuchautorin aktiv, erzählt in ihrem zweiten Roman, «Maikäferjahre», die Geschichte der Zwillinge Tristan und Anni Baumgartner. Tristan ist Pilot bei der Wehrmacht, als er 1944 über England abgeschossen wird. Anni wartet hochschwanger bei ihren Eltern in Dresden auf die Rückkehr ihres Mannes, Fritz, von der Ostfront, als die Stadt von Bomben zerstört wird. Beide kämpfen in den folgenden Monaten um ihr Überleben und geben die Hoffnung auf ein Wiedersehen trotz aller Ungewissheiten nicht auf.
Höflich schreibt aus allwissender Perspektive abwechselnd aus Sicht der beiden Geschwister, wobei sie auch die Gedanken weiterer Personen wiedergibt. Trotz der Distanz zum Innenleben der Figuren entwickelt die Geschichte einen starken Sog, ich habe schon bald mitgefiebert und gebangt. Das könnte auch an den tragischen Liebegeschichten liegen, welche sie einbaut. Aufgrund der Distanz werden insbesondere Nebenfiguren jedoch nicht ganz lebendig, bleiben skizzenhaft. Ich denke da insbesondere an Edward.
Knappe Chroniken über die Ereignisse von 1944, Februar und Herbst 1945, Frühjahr 1946 und Sommer 1947 erleichtern die Einordnung der Ereignisse. Des weiteren ergänzt sie den Roman um Briefe, die sich Anni und Tristan schreiben – ohne zu wissen, ob sie tatsächlich ankommen.
Die Autorin zeigt die Absurdität, die Willkür und die Gleichgültigkeit des Krieges auf und vermittelt uns insbesondere von der emotionalen Lage der ersten zwei Nachkriegsjahre ein deutliches Bild. Gerade letzteres hebt das Buch ab von anderen Weltkriegsromanen: Wie weitermachen, wie vergeben, wie Misstrauen überwinden nach diesen Jahren? Spannende Fragen, denen Höflich auf fesselnde Weise in ihrem Roman nachgeht.