Gabriele von Arnim schreibt aus ihrem eigenen Leben, über die vermutlich einschneidendsten Jahre - etwas über zehn werden es sein.
Das Buch beginnt mit dem Tag, an welchem sie ihrem Mann mitteilt, dass es nicht mehr geht mit ihnen, mit jenem Tag, an dem sie später einen Anruf erhält, dass er in der Notaufnahme liegt. Hirnschlag. Auf diesen Hirnschlag folgt wenig später ein zweiter. Fortan ist ihr Mann pflegebedürftig. Er kann nicht mehr gehen und nicht mehr verständlich artikulieren. Sie gestalten sich ihr Leben neu, mit Respekt und Würde, alle beide.
Gabriele von Arnim schreibt von ihren Empfindungen, vom Zusammenleben mit diesem, ihrem kranken Mann, seinen Wutaufständen, seiner Zuneigung, seiner Ablehnung des Lebens und seinem Lebenswillen. Von Verzweiflung, Wut, von Freunden, Menschen, die eine grosse Hilfe sind und Menschen, welche sich zurückziehen. Es ist eine umwerfende Zärtlichkeit dem Leben und dem Menschen gegenüber, mit dem Umgang mit ihren eigenen Nöten und ihren Bedürfnissen und gleichzeitig bringt es die enorme Wut dem Ausgeliefertsein gegenüber zum Ausdruck. Von Freude, Trauer und sich finden. Beeindruckend wie direkt die Eheleute miteinander umgehen und sich auch zu schonen verstehen. Eine Sprache, die nichts auslässt, schonungslos offenlegt und sich tief in den Leser/die Leserin einnistet, so dass man sich fragt, ob die Autorin für sich selbst schreibt oder für eine Leserschaft. Eine Leseerfahrung, die ich allen wünsche!
- Es gibt sie wirklich, die Sekunden, die das ganze Leben verändern, die einem jede Gewissheit rauben und einen leeräugig in einen Raum voller Fragen starren lassen, die man nicht versteht. Ratlos sitzt man mit der Vergangenheit und der Zukunft auf der schmalen Bank namens Jetzt.
- Vielleicht kannst du bei mir bleiben, wenn ich ihn besuche, und wenn du merkst, ich schaffe es nicht, führst du mich unauffällig hinaus.
Manche Menschen ahnen gar nicht, was für eine Zumutung sie sind.
- “Ich versuche, den Menschen, dem ich begegne, nicht zum Objekt meiner Bewertung zu machen, weil ich sonst meine eigene Würde verletze”, hat Gerald Hüther einmal in einem Interview gesagt.