Ein Psychothriller der anderen Art. Man stellt sich unter dem Titel “Lästige Liebe” und dem Wissen, dass es sich um eine Mutter-Tochter Beziehung handelt, weniger Kaputtes vor - Zerbrochenes wäre zu wenig hart.
Zum Inhalt: Delias Mutter sollte einen ihrer regelmässigen Besuche bei Delia machen, sie ruft dreimal an und trifft nicht ein. Delia erhält die Nachricht, dass ihre Mutter tot ist, ertrunken. Nach der Beerdigung fährt sie nach Neapel, dem Ort, wo sie aufgewachsen ist und wo sowohl ihre Mutter wohnte, wie auch ihr seit vielen Jahren von der Mutter getrennt lebende Vater, der seinen Unterhalt mit dem Malen von Bildern bestreitet, wohnt. Sie macht sich auf die Suche nach der verborgenen Familiengeschichte und dem Grund für den Tod ihrer Mutter. Unterwegs in Neapel kommen Erinnerungen, es gibt auch wirkliche Begegnungen, z.B. mit ihrem Onkel und ihrem Vater und auch mit dem Sohn des angeblichen Liebhabers ihrer Mutter.
Die Erzählweise macht beklommen und fasziniert. Die Erinnerung und die Realität vermischen sich oftmals und nicht immer war mir klar, was nun wirklich war. Es geht um Gewalt, Eifersucht, Nichtbeachtung. Ihre Mutter sieht sie an der Nähmaschine, ihre Freude an Schönem, ihren Vater, der schon wegen einer “falschen” Handbewegung oder einem Blick in die falsche Richtung die Mutter schlägt. Ihre eigen Verwicklung in die Familiengeschichte. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter, die keine gesunde war.
Ich bin sehr froh, hat es in diesem Buch nichts, das ich in meinem Leben wiederfinde - jedenfalls nicht annährend in dieser Ausprägung. Mir scheint, die Männer kommen durchwegs schlecht weg, sie sind alle übergriffig Frauen gegenüber, auf die eine oder andere Art. Das hat mir missfallen.
Ich das Buch gerne gelesen und es bleibt noch haften. Da ich die Orientierung, was real war und was sich nur in Delias Kopf abspielte, wirklich schwierig fand, gibt es einen Punkt Abzug. Die neapolitanische Sage der gleichen Autorin fand ich einfacher zu lesen.
- Dieser Caserta, flüsterte meine Mutter, habe sie in eine Ecke gedrängt und versucht, sie zu küssen. Als ich das hörte, sah ich den offenen Mund dieses Mannes vor mir, mit schneeweissen Zähnen und einer langen, roten Zonge. Die Zunge schoss mit einer Geschwindigkeit zwischen den Lippen hervor und wieder zurück, die mich hypnotisierte. Als halbwüchsiges Mädchen schloss ich bewusst die Augen, um diese Szene nach Belieben in mir wachzurufen und sie halb fasziniert und halb angewidert zu betrachten.
- Als junges Mädchen hatte ich gesehen, wie diese Frauenbilder (vom Vater gemalt) das Haus in den Händen von Fremden verliessen, die oftmals nicht mit derben Kommentaren im Dialekt sparten. Ich verstand das nicht, und vielleicht gab es ja auch gar nichts zu verstehen. Aber wie konnte es sein, dass mein Vater diesen Körper, den er bei jeder Gelegenheit mit mörderischer Wut verteidigte, in gewagten, verführerischen Posen vulgären Männern aushändigte? Wie konnte er diesen Körper in unschicklichen Haltungen malen, wenn er schon wegen eines Lächelns oder eines unterwürfigen Blickes sofort bereit war, bestialisch und unbarmherzig um sich zu schlagen?