Den tiefsten Einblick in sein Wesen gewährt einem Joachim Meyerhoff mit diesem, seinem sechsten Band der autobiografischen Reihe “Alle Toten fliegen hoch”. Auch wenn man dem Autor einem schon in den vorherigen biografischen Romanen sehr nahe kommt, finde ich diesen aktuellen jenen, in dem man am Tiefsten geht und er einen am meisten berührt. Nicht nur der Autor berührt mit dem, was er über sich erzählt. Auch seine Mutter berührt einen, gerade da, wo sie sagt: “Weisst du …”, begann meine Mutter, “ich kann mir mein Leben als zwei unterschiedliche Geschichten erzählen.” …"Das sind meine beiden Geschichten, mein lieber Sohn, und ich habe lange gebraucht, bis sie zusammen gefunden haben und zu einer Geschichte geworden sind. Mit diesem Buch setzt Joachim Meyerhoff ein Denkmal für diese aussergewöhnliche Frau.
Es ist der in der Mitte der 50ern stehende Mann, der erzählt. Er steckt in einer grossen Krise. Seine Angst, dass sich wiederholen könnte, was Thema im vorherigen Roman, wo er von seinem Schlaganfall erzählt, bewältigt sich seiner immer wieder. Dann verliert er ausgerechnet am Geburtstag seines geliebten Sohnes die Fassung und zieht Konsequenzen. Er geht für eine Weile zu seiner Mutter aufs Land, um wieder zu sich zu kommen und zu heilen. An diesen Wochen lässt er uns teilhaben. Was er mit seiner Mutter macht, redet, wie er im Garten arbeitet, mit ihr im Teich und im See schwimmen geht, das er aufschreibt, immer wieder durchsetzt mit Kapiteln, die Erinnerungen wiedergeben.
Seine Mutter ist ein Original - kaum vorstellbar, etwas schräg, klug, voller Energie, mit einem starken Selbstverständnis und Wortwitz. Das Buch ist viel weniger komisch gehalten als die bisherigen. Die Stimmung des Autors hat eindeutig eine Wendung genommen. Schmunzeln und Lachen kann man trotzdem immer wieder - hier einfach wegen der Mutter. Das Buch ist sehr abwechslungsreich, spannend - ich mochte es kaum aus der Hand legen. Es geschieht immer etwas und man mag gerne mehr erfahren über das Leben des Schauspielers, seine Erlebnisse, sein Fühlen und Handeln und über jenes seiner Mutter. Wie schon bei einem anderen seiner Bücher hatte ich gegen Ende das Gefühl, ich würde weinen, wenn mir die Tränen gegeben wären. Ich habe mich diszipliniert, um es zu geniessen und nicht einfach ratz fatz wegzulesen.
Der Erzählstil ist flüssig zu lesen mit ausgesprochen guter Wortwahl. Obwohl der Autor ausführlich und detailliert schreibt, ist die Sprache nicht ausschweifend. Eine grosse Leseempfehlung.